Abstract
Die vorliegende Studie befasst sich mit der Deutung, die der so vielschichtige Begriff des Lebens Anfang des 20. Jahrhunderts in der neukantianischen Transzendentalphilosophie sowie in der Phänomenologie erfahren hat. Am Beispiel von Natorp, Husserl und Heidegger werden verschiedene Ansätze analysiert, die darauf abzielen, den Lebensbegriff aus seinen vitalistischen und historistischen Verengungen zu befreien und zur Deutung der Grundstrukturen des Bewusstseins bzw. der faktischen Existenz heranzuziehen. Dabei zeichnet sich eine Entwicklung ab, die von einer wenig differenzierten Verwendung des Lebensbegriffs als Synonym der Bewusstseinsdynamik als solcher (Natorp) über die Dualität von vorphänomenologischem Welterleben und transzendentalem Bewusstseinsleben (Husserl) bis hin zur Einsicht in die vorsubjektive Primordialität des „Lebens selbst“ (Heidegger) führt. Das Leben erscheint somit letztlich als kein wie immer geartetes Was, sondern als ein Wie, nämlich als die Möglichkeit, das Kontinuum des Welterlebens jederzeit zu durchbrechen und es auf den Grad seiner Nähe zur Intensität des Ursprungserlebens hin transparent zu machen