Johann Amos Comenius und die pädagogischen Hoffnungen der Gegenwart: Grundzüge einer mentalitätsgeschichtlichen Neuinterpretation seines Werkes

Amsterdam: BRILL (2010)
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Abstract

Insofern Erziehung auf die Zukunft gerichtet ist, bedarf sie der Hoffnung. Und wer nicht hofft, kann auch nicht erziehen. Doch die nicht selten euphorisch zu nennende Erwartung, dass man von einer wissenschaftlich begründeten Erziehung auch eine entscheidende Weltverbesserung erhoffen könne, dürfte wesentlich eine Erfindung der anhebenden Neuzeit gewesen sein. Die übliche pädagogische Ideengeschichte sieht in Comenius zumeist einen vormodernen Gegenpol zum technisch-zivilisatorischen Denken der Neuzeit – und übersah damit notwendig wesentliche Kontinuitäten. Denn es war Comenius, der mit seiner pansophischen Systematik zuerst die Hoffnung verband, eine solcherart durchkonstruierte Erziehungsmaschine begründet zu haben, dass eine wahrhaft pansophisch ausgerichtete Erziehung auch einen unfehlbaren Erziehungserfolg verbürgen müsse. Ein mentalitätsgeschichtlicher Zugang vermag dabei zu zeigen, wie sich die pädagogischen Hoffnungen des Comenius entwickelt und zeitgleich mit der pansophischen Systematik ausgeprägt haben. _Je durchdachter die Systematik wurde, desto unfehlbarer sollte auch die Erziehung werden._ Mit einer vollkommen realisierten pansophischen Erziehung würden sich also alle Hoffnungen auf eine Weltverbesserung _erfüllen_; alles, was bis dahin zukunftsgerichtete Hoffnung war, würde also mit der Pampaedia zur erfüllten Gegenwart werden. Von der menschlichen _resignation_ der Frühschriften über die gott-menschliche _cooperatio _der pansophischen Programmschriften führt solcherart der Weg zur intendierten _omnipotentia _des Menschen, an welcher schließlich auch die Erziehung teilhaben soll. Unter der Rücksicht der longue durée ist Comenius damit nicht nur _ein_, sondern letztlich _der _Begründer der pädagogischen Moderne. Seit Comenius produziert wissenschaftlich-systematisches Denken immer neue Erziehungshoffnungen, die sich sodann durch gesellschaftliche Erwartungshaltungen selbstlaufend _re_-produzieren und die Nachfrage nach pädagogischer Wissenschaftlichkeit wiederum steigern. Doch die Welt hat sich bis heute bekanntlich nicht verbessern lassen – trotz einer über 350 Jahre alten Tradition wissenschaftlich begründeter Pädagogik.

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