Jaspers’ Existenzerhellung der Freiheit

In Thomas Fuchs, Stefano Micali & Boris Wandruszka (eds.), Karl Jaspers - Phänomenologie und Psychopathologie. Karl Alber (2013)
  Copy   BIBTEX

Abstract

In seiner ‘Existenzerhellung der Freiheit’ reflektiert Jaspers, das Problemfeld der Freiheit in einem Kontrast zu den Begriffen, Phänomenen und Bedingungen der Unfreiheit und der Grenzen der Freiheit. Dem Problemfeld der Freiheit kann man im Denken und Handeln nur dann gerecht werden, wenn man nicht nur zwischen den verschiedenen Begriffen und Phänomenen der Freiheit unterscheidet, sondern auch zwischen den verschiedenen Begriffen und Phänomenen von Grenzen der Freiheit, wie z.B. durch die allgemeine Naturgesetzlichkeit und die menschliche Natur, durch besondere Bedingungen in Natur, Kultur und Gesellschaft, durch gesundheitliches Befinden und individuelle Persönlichkeit, durch situative Begrenzungen, normative Forderungen und konkrete Grenzsituationen, wie z.B. von Leiden, Kampf, Schuld, Wagnis und Tod zeigen. Jaspers hat sich zum Problemfeld der Freiheit sowohl in seiner Allgemeinen Psychopathologie, in seinen pathographischen Untersuchungen, in seiner Psychologie der Weltanschauung und in einigen seiner philosophischen Schriften geäußert. Im zweiten Band seines frühen Hauptwerkes Philosophie mit dem Titel Existenzerhellung hat er jedoch eine umfassende Abhandlung zu dem komplexen Problemfeld der Freiheit verfasst. Dort behandelt Jaspers fast alle wesentlichen Begriffe und Phänomene der Freiheit bis hin zu seiner Konzeption einer existenziellen Freiheit. Jaspers geht anfangs von einem unbestimmten Begriff der Freiheit aus, dem kein bestimmtes Phänomen entspricht und der deswegen nur Illusionen erzeugen und einem ideologischem Denken dienen kann. Dann aber unterscheidet Jaspers zwischen verschiedenen Begriffen und Phänomenen der Freiheit. Dabei scheint er nicht nur wie die meisten zeitgenössischen Philosophen an Locke und Hume, Kant und Brentano, Wilhelm von Humboldt und John Stuart Mill anzuknüpfen, sondern auch an die Konzeptionen des Selbstbewusstseins bei Hegel, Fichte und Schelling. Da sich Jaspers nicht zuletzt auch mit den Schriften von Kierkegaard und Nietzsche auseinandergesetzt hat, gelangt er zu einer besonders umfangreichen und differenzierten Diskussion des ganzen Problemfeldes der Freiheit in der Moderne. Jaspers hat jedoch nicht nur verschiedene Freiheitsbegriffe und -phänomene unterschieden, sondern er hat auch zu den überlieferten Denkweisen im Form einer existenzphilosophischen Erhellung der Freiheit Stellung genommen. Dabei hat Jaspers’ Stellungnahme anders als viele zeitgenössische Beiträge über Freiheit und Determinimus den deutlichen und bewahrenswerten Vorzug, dass sie die unverfügbare und irreduzible Subjektivität der Willensfreiheit anerkennt. Damit knüpft Jaspers an Kants Einsicht an, dass der Freiheit des menschlichen Willens und ihrer praktischen Wirksamkeit immer nur die subjektive Evidenz inneren Erlebens zukommen kann. Dies unterscheidet sie von der Wahl- und Handlungsfreiheit, die man auch in konkreten Handlungssituationen objektiv feststellen kann. Der Freiheit des menschlichen Willens kommt damit weder die Objektivität empirischer Erkenntnis noch metaphysische Notwendigkeit zu. Die subjektive Evidenz des Erlebens eines freien Willens spricht nach Jaspers jedoch auch gegen einen weltanschaulichen, methodischen oder metaphysischen Determinismus, der sie aufgrund seiner Annahme einer kausal geschlossenen Wirklichkeit leichtfertig für eine bloße Illusion hält. Eine deterministische Weltanschauung oder Philosophie kann der condition humaine zumindest dann nicht gerecht werden, wenn sie die evidente Subjektivität eines freien Willens nicht auf eine plausible Art und Weise integriert. Jaspers’ wird der potentiellen Freiheit des menschlichen Willens dadurch gerecht, dass er ihre unverfügbare und irreduzible Subjektivität versteht und akzeptiert und erst gar nicht den abwegigen Versuch macht, sie durch eine objektivierende Einstellung zu objektivieren, wissenschaftlich zu erklären oder gar zu beweisen.

Links

PhilArchive

External links

  • This entry has no external links. Add one.
Setup an account with your affiliations in order to access resources via your University's proxy server

Through your library

Similar books and articles

The Problem of freedom.Mary T. Clark (ed.) - 1973 - New York,: Appleton-Century-Crofts.
Karl Jaspers und die Vernunft.Ulrich Diehl - 2011 - In Hamid Reza Yousefi, Werner Schüßler, Reinhard Schulz & Ulrich Diehl (eds.), Karl Jaspers - Grundbegriffe seines Denkens. Lau Verlag.
Ist Jaspers ein Kantianer?Ulrich Diehl - 2008 - In K. Eming & Th Fuchs (eds.), Karl Jaspers – Philosophie und Psychopathologie. Universitätsverlag Winter.
Jaspers on Drives, Wants and Volitions.Ulrich Diehl - 2012 - Jahrbuch der Österreichischen Karl-Jaspers-Gesellschaft 25:101-125.
Karl Jaspers. Philosophy of Freedom. [REVIEW]Richard Wisser - 1990 - Philosophy and History 23 (1):40-43.
Bibliography of the writings of Karl Jaspers to spring 1957.Compiled by Kurt Rossman - 1957 - In Karl Jaspers & Paul Arthur Schilpp (eds.), The Philosophy of Karl Jaspers. La Salle, Ill.: Open Court Pub. Co..
Freedom and Authority.Karl Jaspers - 1953 - Diogenes 1 (1):25-42.
Leibniz on the Labyrinth of Freedom.Jack D. Davidson - 2003 - The Leibniz Review 13:19-43.

Analytics

Added to PP
2013-06-07

Downloads
2,112 (#3,799)

6 months
175 (#13,872)

Historical graph of downloads
How can I increase my downloads?

Author's Profile

Ulrich Walter Diehl
University of Heidelberg

Citations of this work

No citations found.

Add more citations

References found in this work

No references found.

Add more references