Kants letzte Schrift Ueber die Buchmacherey ist von den Biographen Kants nur all zu oft ignoriert worden. Sogar so angesehene Gelehrte wie Friedrich Paulsen und Ernst Cassirer widmen dieser Schrift in ihren bekannten Darstellungen von Kants Leben und Denken kein Wort. Auch Manfred Kuehn geht in seiner jüngst veröffentlichten sehr lesbaren Biographie auf Kants Abrechnung mit Nicolai überhaupt nicht ein. Das ist bedauerlich; denn dieses Werk verdient mehr Aufmerksamkeit. Es weist nach, wie sehr es Kant an dem richtigen Verständnis seiner (...) Philosophie gelegen war und wie er bereit war, Verzerrungen, Verdrehungen, ja Mißverständnisse jeder Art hart zu bekämpfen. Friedrich Nicolai , obwohl kein Philosoph, konnte nicht völlig ignoriert werden. Denn er war ein mächtiger Verleger. Auch war er ein betriebsamer, erfolgreicher Schriftsteller und Publizist, dessen Werke gelesen wurden. (shrink)

Die Kritik der Rabbinen an Gott erweist sich keineswegs als eine Schwächung der Glaubenskraft oder gar als verhüllter Atheismus; sie weist zwar dadurch, daß sie nur bei Einzelnen auftritt und nicht eigentlich die Stimme der Gemeinde, d. h. einen sensus communis, darstellt, auf die Tatsache hin, daß es Richtungen, Spaltungen, Häresien im Rabbinismus gegeben hat - eine Tatsache, die uns auch ohnedies schon bekannt ist. Das Bemerkenswerte jedoch daran ist, daß die kritischen Elemente ertragen worden sind und das Judentum der (...) Kritik in seiner eignen Mitte standgehalten hat: die jüdische Gemeinde ist daran nicht zugrunde gegangen, ihr Glaube war stark genug, auch damit fertig zu werden. Ferner darf man diese Kritik an der Gottheit, sogar als einen Erweis lebendigen Umgangs mit ihr betrachten: Gott ist gleichsam auch der Gefährte des Menschen, nicht nur der Herr, und diese Einstellung des Rabbinismus mag als ein fast notwendiges Supplement - oder wenn man will, ein Korrelat - zur Vorstellung von der Überweltlichkeit Gottes und von seinem Getrenntsein von der Welt, wie sie sonst das Judentum bestimmt, angesehen werden. Gott als der Gefährte des Menschen begegnet uns ja auch gelegentlich im Neuen Testament: er bedarf, obschon der "Herr der Ernte", der Erntearbeiter Mt. 9,38, d. h. aber der Gehilfen; noch deutlicher bringt dies der paulinische Terminus Mitarbeiter Gottes, I. Cor. 3,9 u. ö., zum Ausdruck. Die Kritik an Gott ist gleichzeitig eine Krit i k a m Menschen. Sie betrifft ja den Schöpfer, dessen Werk in der Erschaffung des Menschen gipfele32). Jüdische Kreise, die die Schöpfung abwerten, nehmen am Geist der Zeit teil. Auch bewirken gnostische Ideen durch die Aufstellung von Mittlerwesen eine Entfernung der Gottheit von der Welt: er nimmt nicht mehr unmittelbar an ihr teil. Gottes Macht wird beschränkt durch die Hypostasierung seiner Eigenschaften. Der Anthropomorphismus, von einem Teil der Schriftgelehrten zu beheben oder zu mildern versucht, wird bei anderen umso stärker, und sie drücken darin ihren Hader mit Gott aus: er ist trotzig gegen die Bitten der Gemeinde, er verwechselt Namen und ist vergeßlich, ja er entzieht sich seinem eignen Gesetz oder den ethischen Verpflichtungen, die er selbst geboten hat. Aber wiederum, von der anderen Seite gesehen: Gott leidet mit seinem Volk, er ist ohnmächtig, demütig, weint und klagt, trauert um Stadt und Tempel, ist erlösungsbedürftig und ringt mit sich selbst um sein Erbarmen. Man könnte dies die positive Seite der rabbinischen Kritik an Gott nennen. Auf zwei große Motive läßt sich diese Kritik zurückführen : auf eine Fortführung des alttestamentlichen Dispute zwischen Gott und Menschen, wobei gleichzeitig eine Veränderung der biblischen Gottesvorstellung nach der spekulativen Seite hin erfolgt - und auf das Interesse a n der Entlastung der bedrängten Gemeinde. Es sind Motive, die in der Weiterentwicklung des Judentums unvermeidlich waren. Auch andere große Religionen haben unter dem Druck solcher Anfechtungen gestanden. Auch dem Islam und dem Christentum ist solche Kritik nicht fremd geblieben. Was den Islam betrifft, so ist Verfasser durch einen Vortrag von Hellmut Ritter im Orient-Institut Frankfurt/Main über "die Kritik an Gott bei den persischen Mystikem"33) zu vorliegender Untersuchung angeregt wor den. Wenn auch die Erscheinungswelt der islamischen, zumal der persischen Mystik von derjenigen der Rabbinen so verschieden ist wie nur möglich, da es sich dort meist um Extravaganzen des Typus des "närrischen Heiligen" handelt, der die Freiheit hat, auch die radikalsten Gedanken über die Gottheit zu äußern, ohne daß er sein praktisches Verhalten der Ergebung in Gott ändert, so haben doch b e i d e Welten das eine gemeinsam, daß es die Not ist, die hier ein entscheidendes Wort mitspricht. Im Christentum ist die Kritik an Gott lediglich verhüllter dank der Idee der Menschwerdung Gottes und der ins Dogma eingebauten Theorie vom Mittler; aber sie ist nichtsdestoweniger vorhanden und bricht in Zeiten der Krisis hervor. Schon die Theodizee, die positive Seite der Kritik an Gott, setzt voraus, daß der Mensch nicht um eine Recht-fertigung Gottes herumkommt; das aber hat wieder zur Voraussetzung, daß der Mensch Gott Vorwürfe macht. So tut es z. B. LUTHER, der "in seinen seelischen Kämpfen Gott besonders Härte und Ungerechtigkeit vorgeworfen hat"34). Diese Kritik ist zuletzt notwendige Begleiterscheinung jedes ernsthaften, sich um sich selber mühenden, nicht scholastisch erstickten Glaubens. Auch über die Kritik der Rabbinen an Gott kann schließlich kein anderes Urteil gefällt werden, als daß sie die dialektische Überwindung der Negation mittels ihrer ehrlichen Durchschreitung darstellt. (shrink)

Excerpt from Sprüche von Lazarus Der Kenner von Lazarus' Schriften wird bemerken, dass die streng-wissenschaftlichen Untersuchungen weniger berücksichtigt sind, als die mehr allgemein verständlichen Betrachtungen; ich wollte eben kein Nachschlagebuch für Studenten und Philologen, sondern ein Volksbuch schaffen, das sowohl in der Hand werkerstube, wie im Frauengemach, in der Volks bibliothek, wie im Kaufmann oder Künstlerverein gelesen und verstanden wird; daher auch in der Anordnung eine pädagogisch-gefügte Stufenfolge vom Leichten zum Schweren, vom Einfachsten zum Er habensten, vom Praktischen zum Idealen (...) und Ideellen; mit: Arbeit und Beruf und Maschine und Werkzeug fangt die Sammlung an und endet mit Religion undhumanität! - Streng Gelehrtes musste dafür geopfert werden, z. B. Die Untersuchungen über die Kongruenz zwischen Geist und Sprache (leben d. Seele II), die Erläuterung über Perception und Ap perception (ebenda), die Bemerkungen über die Ver mischung der Kuuste, die Kennzeichnung von stimmung und Verstimmung (ideale Fragen, 145) und von ver dichtung des Denkens; für dieses brachte ich nur ein Beispiel, wahrlich eine harte Selbstbeschränkung, aber der Umfang der Sammlung durfte nicht überschritten werden. Mogen diejenigen, die sich an den vorliegenden Aphorismen nicht genügen lassen, an den Urtext in den drei Bänden leben der Seele, an treu und Freie, ideale Fragen und reize des Spieles sich halten! Ausserdem schöpfte ich aus mancherlei Reden und Vorträgen, aus Ungedruck tem und noch Unbekanntem, aus neuestem, in Briefen etwa, und aus altem Halbvergessenen wie: Der Antiquar; diese eigenartige Skizze, die nichts Erfundenes und nichts Erdachtes, sondern Erlebtes und Erinnertes ver ewigt. Nur möchte ich den Leser herzlich bitten, dass er diese Sprüche nicht bloss lese, sondern denke und uber sie nachdenke; dann erst erlangen sie ihren vollen Wert. Zu dem wahren Erfolg des Gedankens thut ja der Leser selbst das Beste hinzu! Der ver gleichende Kritiker aber wird bemerken, dass viele Ausspruche mit dem Urtext nicht genau in jedem Wort übereinstimmen; hier fehlen Einleitungs dort Schlusssätze, zuweilen mitten heraus 2 3 Zeilen verbindende erläuternde Hinweise, und Auseinander setzungen gelehrter Art, u. A. M. Der Knappheit und Klarheit der Grundgedanken wegen, wagte ich es gelegentlich, dem Autor, zögernd und zaghaft, mancherlei Redaktionen vorzuschlagen und mit seinem ganz spezifischen lazarus-lächeln auf dem gütigen Antlitz nickte er bloss, und erteilte damit die erwünschte Autorisation. About the Publisher Forgotten Books publishes hundreds of thousands of rare and classic books. Find more at www.forgottenbooks.com This book is a reproduction of an important historical work. Forgotten Books uses state-of-the-art technology to digitally reconstruct the work, preserving the original format whilst repairing imperfections present in the aged copy. In rare cases, an imperfection in the original, such as a blemish or missing page, may be replicated in our edition. We do, however, repair the vast majority of imperfections successfully; any imperfections that remain are intentionally left to preserve the state of such historical works. (shrink)

Kants letzte Schrift Ueber die Buchmacherey ist von den Biographen Kants nur all zu oft ignoriert worden. Sogar so angesehene Gelehrte wie Friedrich Paulsen und Ernst Cassirer widmen dieser Schrift in ihren bekannten Darstellungen von Kants Leben und Denken kein Wort. Auch Manfred Kuehn geht in seiner jüngst veröffentlichten sehr lesbaren Biographie auf Kants Abrechnung mit Nicolai überhaupt nicht ein. Das ist bedauerlich; denn dieses Werk verdient mehr Aufmerksamkeit. Es weist nach, wie sehr es Kant an dem richtigen Verständnis seiner (...) Philosophie gelegen war und wie er bereit war, Verzerrungen, Verdrehungen, ja Mißverständnisse jeder Art hart zu bekämpfen. Friedrich Nicolai (1733–1811), obwohl kein Philosoph, konnte nicht völlig ignoriert werden. Denn er war ein mächtiger Verleger. Auch war er ein betriebsamer, erfolgreicher Schriftsteller und Publizist, dessen Werke gelesen wurden. (shrink)

In Prophecy without Contempt, Cathleen Kaveny argues that prevailing scholarly approaches to religious and public discourse misunderstand the actual complexity of moral rhetoric in America. She endeavors to provide a better account through study of the role the Puritan jeremiad has played. Kaveny then offers a normative case for deliberative public moral discourse and the limited exercise of prophetic denunciation. I argue that Kaveny's distinction between deliberation and prophetic denunciation is overdrawn. They are ideal types that elide other rhetorical forms. (...) Moreover, both deliberative discourse and prophetic denunciation assume a social contract or shared tradition. Healthy moral discourse requires revolutionary rhetoric to interrogate and break traditions that are themselves morally compromised. (shrink)

In this paper we discuss the question whether God intends that sin occur. We clarify the question, consider some of the answers given in the Christian tradition, and give a careful commentary on a few especially telling passages from the Christian Scriptures. We consider two philosophically informed interpretative strategies, one derived from the work of Frances Kamm, the other from Reformed scholasticism, against our interpretation of these passages. While we concede that in other passages such interpretations may allow a way (...) of escaping our argument, we conclude that in the case of the telling passages we have selected there is simply no comparably plausible alternative interpretation. (shrink)

This essay addresses the alienation of aesthetics from ethics in the context of modernity. In examining the modern development of moral theory, it offers a critique of the dominant trends within that tradition, arguing that the result is a fragmented and disordered conception of the good life. Christian ethics, grounded in a conception of the beauty of God’s being as a disclosure of the true good, can reaffirm the connection between ethics and aesthetics, that beauty is not simply a matter (...) of inward reflection but also of action toward the world, which gives content to moral life. Christian ethics ultimately requires a “sense of style” through which we are attracted to a life lived in imitation of Christ, and through which our conceptions of virtue are grounded in a desire to act in such a way as to manifest God’s beauty before the world. (shrink)

The discovery of gold and silver in America, the extirpation, enslavement and entombment in mines of the aboriginal population, the beginning of the conquest and looting of the East Indies, the turning of Africa into a warren for the commercial hunting of black-skins, signalised the rosy dawn of the era of capitalist production.1"In the antiblack world there is but one race, and that race is black. Thus, to be racialized is to be pushed 'down,' toward blackness, and to be deracialized (...) is to be pushed 'up' toward whiteness." This does not mean, of course, that there are only blacks and whites in some anthropological sense. It does not mean that political reality with regard to race simply reduces to two positions... (shrink)

The project of studying children in order to understand them, which lies at the heart of contemporary thinking about children and their education, is misconceived. It rests, jrst of all, upon a false belief that we can only come to know something properly by deliberately and systematically pursuing knowledge of it. Secondly, it offers a paradigm of knowing children which justifies parents and teachers in not giving themselves to children. By re-interpreting the problems that adults experience with children as technical, (...) as arising from lack of information about them, it ignores the personal and moral dimension of adults’ relations with children and thus further alienates them from one another. (shrink)

Franz Rosenzweig's The Star of Redemption comes before the Shoah and Maurice Blanchot's The Writing of the Disaster comes after it. The one addresses itself with hope to the figure of a star; the other meditates on the state of being without a guiding star. The figure of Emmanuel Levinas stands between these two works, since Totality and Infinity is marked by Rosenzweig's critique of totality and The Writing of the Disaster is in part a response to Levinas's philosophy. Both (...) Rosenzweig and Blanchot propose a new way of thinking, one that calls unity into question. This essay seeks to clarify what ‘thought’ means for Rosenzweig and for Blanchot. In what ways do Rosenzweig and Blanchot converge? In what ways do they diverge? (shrink)

Demons have the power to cause temptations in us, and Christian materialism implies the supervenience of temptations on brain states. This in turn implies that demons bring about temptations by causally interfering with our brains. But if they have such an ability to affect the physical world, it is mysterious why they do not wreak more havoc than they do both to our brains and in the world more generally. Substance dualism provides an elegant solution: demonic temptation is not a (...) species of soul-to-brain causation, but soul-to-soul, and we don’t need to suppose demons have the power to directly affect the physical world. Materialist solutions, in contrast, are ad hoc. (shrink)

Although a key aspect of the phenomenological movement is its contribution to value theory and value perception, there has been relatively little attention paid to these themes. This volume in part makes up for this lacuna by being the first anthology on value-theory in the phenomenological movement. It indicates the scope of the issues by discussing, e.g., the distinctive acts of valuing, openness to value, the objectivity of values, the summation and combination of values, the deconstruction of values, the value (...) of absence, and the value of nature. It also contains discussions of most of the major representative figures not only in their own right but also in relationship to one another: Von Ehrenfels, Brentano, Scheler, Hartmann, Husserl, Heidegger, Schutz, and Derrida. (shrink)

Ethics and the Environment includes contributions from distinguished philosophers, humanists, politicians, geologists, chemists and physicists. This volume opens with an historical and philosophical background to provide a basis for discussion of significant contemporary changes in ethical theory.