Abstract
ZusammenfassungFür die Medizinethik liegt ein großes Potential sozialempirischer Forschung in der Erhöhung der Kontextsensitivität, dem Sichtbarmachen von sozialen und institutionellen Rollen und dem Einbringen von Stimmen, die bislang zu wenig gehört worden sind. Diese Möglichkeiten bergen jedoch auch das Risiko, dass Deliberation und Argumentation durch Umfragen und Meinungserhebungen ersetzt werden. Der in den Sozialwissenschaften einsetzende participatory turn gibt Anlass, Anliegen und Methoden klassischer sozialempirischer Vorgehensweisen aus normativer Sicht zu hinterfragen. Eine Auseinandersetzung mit Konzeptionen von Betroffenheit, Öffentlichkeit und Expertise ist nicht nur aus methodologischen, sondern gerade auch aus normativen Gründen wichtig. Für die ethische Relevanz sind dabei die Idee der Argumentation und demokratietheoretische Überlegungen besonders erörterungswürdig. Wenn Bioethik Teil eines auch öffentlich verankerten Diskurses sein soll, ist die Frage nach der angemessenen Form der Berücksichtigung bestimmter Perspektiven ebenso im Kern bioethischer Reflexion zu verorten wie die Rechtfertigung spezieller ethischer Normen.