Abstract
Die strukturelle Sprachwissenschaft wird aus einem philosophischen Gesichtspunkt her betrachtet. Wir versuchen die Grundeinsichte dieser Sprachwissenschaft herauszuarbeiten : Sprache als autonome Entität innerlicher Differenzen und Dependenzen, Sprache als Form und nicht als Substanz. Längere Zeit ist die strukturelle Semantik vernachlässigt worden. Im Buche A. J. Greimas' : Sémantique structurale finden wir eine eindringliche Beschreibung des Aufbaues und der Strukturen der Bedeutungswelt. Mit Paul Ricoeur holen wir die philosophisch relevante Voraussetzungen des Sprachbegriffes der strukturellen Sprachwissenschaft hervor : die Sprache ist das Objekt einer empirischen Wissenschaft ; die Veränderung in der Sprache ist nur eine Bedrohung für das System der Sprache ; die Sprache ist Form, nicht Substanz ; die Sprache als strukturelles System - auch im Bereiche der Semantik - ist an der konkreten, extra-linguistischen Realität abwesend ; das Sprachzeichen soll nicht definiert werden als eine Referenz zum Ding, sondern als eine Opposition mit allen anderen Sprachzeichen und als eine innerliche Differenz zwischen dem akustischen Bilde und der Wortbedeutung. Welche Mangel hat dieser Sprachbegriff nun ? Die strukturelle Sprachwissenschaft betrachtet allzu wenig die Sprache als freien Akt des Gesprächs. Nur im Gespräch leuchtet die Notwendigkeit auf, die Worte für die konkrete Realität zu öffnen. Nur im Gespräch erfährt man den Zugriff der Wirklichkeit auf die Worte. Auch orientiert sich die strukturelle Sprachwissenschaft allzu einseitig an Bedeutungswelten, in denen die Inhalte nicht die Kraft besitzen, sich eine Interpretationsgeschichte zu erringen. In letzter Zeit gibt es aber einige neuen Wege in der Sprachwissenschaft (die französische und amerikanische sind nur betrachtet worden), die vielleicht eine grössere Chance versprechen für die Möglichkeit der Öffnung der Sprache für die konkrete Realität, die das Gespräch der Menschen winkt. Im Bereiche der syntaktischen Strukturen hat Naom Chomsky einen schöpferisch-dynamischen Strukturbegriff herausgearbeitet in seinem Begriff der „generativen Grammatik“. Im selben Bereiche betont Gustave Guillaume, dass die Syntaxis nicht die Vollendung der Geschlossenheit der Sprache bedeutet, sondern dass sie die Sprachinhalte eher zur Wirklichkeit zurückführt. Im Bereiche der Sprachinhalte zieht Ricoeur selber die Aufmerksamkeit auf die mehrdeutige Inhaltsbereiche der Sprache, und er fragt : die Mehrdeutigkeit : wozu ?