Abstract
Im Zuge einer Änderung des Arzneimittelgesetzes im November 2016 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, dass gruppennützige Arzneimittelforschung mit nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen unter bestimmten Bedingungen erlaubt sein soll. Das entsprechende Gesetz wird voraussichtlich im Jahr 2020 in Kraft treten. Das ethische Problem dieser Forschung besteht darin, dass Personen, die nicht in der Lage sind, ihre Einwilligung in die Forschung zu erteilen, nicht vom medizinischen Fortschritt ausgeschlossen werden sollen. Der Gesetzgeber hat versucht, diesen Konflikt zu lösen, indem er die Zulässigkeit der gruppennützigen Forschung mit nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen an die Voraussetzung geknüpft hat, dass Studienteilnehmer ihre Einwilligung zuvor in einer Probandenverfügung erteilen. Der Beitrag hat das Ziel, die neue Regelung zur gruppennützigen Forschung mit nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen aus ethischer Sicht zu bewerten. Die Frage, ob die Gesetzesänderung weitere Forschung ermöglichen wird, hängt wesentlich davon ab, ob man mit Blick auf Studien, die sowohl eigennützige als auch gruppennützige Maßnahmen umfassen, eine Gesamtbetrachtung oder eine Einzelbetrachtung dieser Studien vorzieht. In unserem Beitrag argumentieren wir für eine Einzelbetrachtung. Es wird weiterhin die Auffassung vertreten, dass die im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagene Probandenverfügung die Selbstbestimmung der Patienten fördern kann, wenn sie mit Blick auf die mit der Teilnahme verbundenen Eingriffe ein Mindestmaß an Bestimmtheit erreicht.Zusammenfassend wird die Auffassung vertreten, dass gruppennützige Forschung mit nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen trotz der genannten Bedenken unter bestimmten Bedingungen ethisch zulässig sein kann. In der Gesamtabwägung erscheint dabei die eindeutige Definition und strenge Beachtung der Bedingungen der EU-Verordnung 536/2014 mit Blick auf einen ethisch gerechtfertigten Einbezug von nicht-einwilligungsfähigen Erwachsenen in gruppennützige Forschung als besonders bedeutsam.