Abstract
Worin liegt es begründet,– so fragt Susanne Guski-Leinwand in ihrem Beitrag „Die Psychologie seit 1900: Von der,friedestiftende Vermittlerin“ zur „hub sience“ –, dass die von Wundt selbst als Friedensstifterin charakterisierte experimentelle Psychologie vonseiten der Philosophie und deren Vertreter um 1900 eher als Unruhestifterin empfunden und entsprechend abgelehnt wurde, obwohl sie hinsichtlich ihrer Methoden bereits Eingang in die Naturwissenschaften gefunden hatte und sich besonders in heutiger Zeit in zahlreichen Bereichen gleichsam als Referenzdisziplin mit hohem integrativen Charakter etabliert hat? Sosehr die experimentelle Psychologie dem Selbstverständnis der Naturwissenschaften auch zu entsprechen vermochte, sosehr widersprach sie doch in ihrer empirischen Orientierung zur Erschließung der Vorgänge des Bewußtseins dem Anspruch philosophischen Selbstverständnisses. Der bekannte Anspruch vonseiten Villas, Wundts und anderen, die Psychologie als Grundwissenschaften der Geistes- und Naturwissenschaften zu etablieren, tat dazu sein Übriges. Dabei sah Wundt selbst keinerlei inhaltlichen Widerspruch hinsichtlich der Forderung, zumal die Psychologie die weit strengere gegenüber den anderen Naturwissenschaften sei. Auch teilte Wundt nicht die Ansicht, dass die psychischen Zustände unzugänglich wären für das menschliche Erkennen, denn die inneren Vorgänge des Bewußtseins bildeten eine den äußeren Vorgängen ähnliche Einheit. Neben einer Skizzierung der Schuppe-Wundt-Debatte, die sich zwischen abstrakter Erkenntnistheorie und der Erkenntnistheorie der positiven Wissenschaften bewegte, und Guski-Leinwand am Weltbegriff exemplifiziert, eröffnet sie einen zeitübergreifenden Ausblick über die Zeit des Nationalsozialismus und dessen Folgen für die damalige Psychologie hinaus bis hin zur hub-science des 21. Jahrhunderts.