Abstract

Im Folgenden wird der Versuch unternommen, ausgehend von John Deweys Kunst als Erfahrung ein Verständnis des Kitsches als ästhetischer Untugend zu entwickeln. Dabei wird der leitenden Frage des Bandes, ob Kunst moralisch sein muss, in der Weise begegnet, dass nach der spezifischen moralischen Wirkungsweise von Kunstwerken gefragt wird. Nachdem entgegen einer Dichotomisierung von Kunst und Moral die Leistung moderner Literatur und Kunst darin erkannt wird, die Grenzen lebensleitender moralischer Begriffe und Werte anschaulich zu machen und damit Lern- und Reflexionsprozesse auszulösen, wird Kitsch als Umkehr dieser Wirkungsweise von Kunst aufgearbeitet. Kitsch stabilisiert demnach moralische Überzeugungen, Wertvorstellungen und Lebensmodelle, indem er eine sinnliche Welt vor Augen führt, die einen stetigen Resonanzraum letzterer darstellt. Vom Befund ausgehend, dass sein ideologischer Gebrauch in der Natur des Kitsches angelegt ist, wird schließlich Krieg – und insbesondere der gegenwärtige Krieg in Europa – als ein Anlass betrachtet, der die Untugend der Kunst zum Gedeihen bringt. The following paper aims at developing an understanding of Kitsch as an aesthetic vice, drawing mainly upon John Dewey’s Art as Experience. Does art have to be moral? - the guiding question of this volume is addressed by reflecting on the specific operativity of art in moral terms. The genuine force of modern art and literature lies, contrary to a dichotomic view of the relation of morality and the arts, in showing the limits of concepts and values guiding the recipient and therefore activating processes of learning and reflection. It is then argued that Kitsch is the inversion of such an activity. Kitsch stabilizes moral convictions, value orientations and thus ways of life by creating an image of the world that resonates with the latter. Following the observation that Kitsch has a manifest affinity to be used for ideological purposes, war – with focus on the current war in Europe – is considered a primal occasion for the thriving of the aesthetic vice.