Abstract
Zusammenfassung Ein wohlbekannter kritischer Einwand gegen jene unter uns, die versuchen, kulturelle Unterschiede im Dienste verantwortungsvoller kultureller Vergleiche hervorzuheben, richtet sich darauf, dass wir uns dabei der Essentialisierung genau dieser Kulturen schuldig machen. Essentialismus ist dabei als eine Verallgemeinerung zu verstehen, die besagt, dass bestimmte Eigenschaften einer gegebenen Bevölkerung innerhalb dieser Kultur universell und zugleich ihr eigentümlich sind, demnach nicht von kontingenten Kontexten abhängen und dass wiederum ebendiese Eigenschaften Relativismus und Inkommensurabilität unter den Kulturen bedingen. In diesem Essay möchte ich den Widerstand einiger zeitgenössischer Forscher anfechten, die es ablehnen, grobe kulturelle Verallgemeinerungen als notwendig zu akzeptieren, wenn es darum geht, die reichhaltigen Differenzen, die zwischen Traditionen walten, zu respektieren und so weit als möglich einen verarmenden Kulturreduktionismus zu vermeiden. Ich würde voraussetzen, dass die Wipfel eines kontinuierlich emergierenden kulturellen Vokabulars selbst in einem tiefen und relativ stabilen Grund aus unbenannten Annahmen wurzeln, die sich über Generationen in der Sprache, den Gebräuchen und den Lebensformen einer lebendigen Tradition abgelagert haben. Und weiter möchte ich argumentieren, dass das Versäumnis, den fundamentalen Charakter kultureller Differenzen als eine ursprüngliche Absicherung gegen die Vergehen des „Essentialismus“ anzuerkennen, selbst nicht harmlos ist. Tatsächlich bewirkt diese Ablehnung kultureller Verallgemeinerungen ironischerweise eine unkritische Essentialisierung der je eigenen kulturellen Annahmen, so dass sich ebendiese Voraussetzungen in die Interpretationen der Lebens- und Denkweisen anderer Traditionen einschleichen.