Abstract
In diesem Aufsatz diskutiere ich die radikale und anspruchsvolle These, dass es intrinsisch unmoralisch und absolut verboten ist, sich selbst das Leben zu nehmen. Diese These verdient Interesse, insofern sie konstitutiv mit einer besonderen Auffassung über Wesen und Sinn der Moral verbunden ist. So behauptete Wittgenstein, dass alles erlaubt ist, wenn der Suizid erlaubt ist. Wie in der christlichen Tradition wird der Suizid damit als ein nihilistischer Akt interpretiert, welcher in Opposition zur Moral als solcher steht. Entsprechend gehört es dann zum Sinn der Moral selbst, dass niemand sich selbst das Leben nehmen darf. Zur Begründung des absoluten Verbotenseins des Suizids kann eine säkulare Ethik entweder zu zeigen versuchen, dass die Unverfügbarkeit des eigenen Lebens aus dem Begriff der Moral folgt; oder sie kann zu zeigen versuchen, dass sie aus dem Sinn der eigenen sittlichen Existenz folgt. Ich zeige im Detail, warum alle beide dieser von Kant beschrittenen Wege scheitern, und entwickle schließlich Konsequenzen, die sich aus dieser Zurückweisung für einige grundlegende Fragen der Ethik ergeben