Abstract
Der Bildungsbegriff wird in Politik, Öffentlichkeit und pädagogischer Praxis extensiv und kontrovers verwendet, wegen seiner Vieldeutigkeit und Normativität ist er allerdings in der Erziehungswissenschaft umstritten und wird in Teilen der Bildungsforschung gar gemieden. Die verschiedenen Dimensionen des Begriffs können jedoch differenziert werden, und der tradierte Normgehalt kann expliziert werden. Die empirische, quantifizierend arbeitende Bildungsforschung versteht sich als wertfreie Wissenschaft, basiert aber auf normativen Entscheidungen und enthält normative Setzungen. Anhand der PISA-Untersuchungen lässt sich zeigen, dass diese Normativität nicht zureichend expliziert und begründet wird. Ausgehend von dem Dilemma der bildungstheoretisch orientierten Biografieforschung, ein normatives Bildungsverständnis vorauszusetzen ohne die Normativität der als Bildungsprozesse interpretierten biografischen Transformationen deutlich zu artikulieren, wird schließlich für eine reflexive Normativität in der Bildungsforschung argumentiert, die auch das kritische und emanzipatorische Potenzial des Bildungsbegriffes nutzt.