Abstract
In der gegenwärtigen Debatte um Aristoteles’ Wahrnehmungstheorie herrscht ein Dissens darüber, welche Relevanz dem Kapitel De Anima II 5 beizumessen ist. Während Burnyeat davon ausgeht, daß in diesem Kapitel eine für die Wahrnehmung spezifische und gegenüber physischen Vorgängen vollkommen andere Art von Veränderung eingeführt wird, sehen die Literalisten in diesem Kapitel lediglich eine Erweiterung des Bewegungsmodells der Physik, das für seelische wie nicht-seelische Tätigkeiten gleichermaßen gilt. Ich zeige, daß beide Interpretationsstrategien der Aussage und Relevanz von De an. II 5 nicht gerechtwerden. Meine Interpretation konzentriert sich auf die Klärung zweier Punkte, die für den Status von De an. II 5 entscheidend sind: das Verhältnis von De an. II 5 zur Bewegungslehre von Phys. III 1-3 und die Funktion von De an. II 5 innerhalb der Argumentation des zweiten Buchs von De Anima. Die Klärung beider Punkte beantwortet die Frage, was der Sinn der umstrittenen Termini alloiôsis tis und sôteria ist und auf welche Klasse von Vermögen sie sich beziehen