Der Gedanke, der sich in der modernen Idee der Autonomie verdichtet, ist ein doppelter: Die Figur der Autonomie enthält zugleich eine neue Auffassung von Normativität und eine eigene Konzeption von Freiheit. Dem Gedanken der Autonomie zufolge ist ein Gesetz, das wahrhaft normativ ist, eines, als dessen Urheber wir uns selbst betrachten können; und eine Freiheit, die im vollen Sinne wirklich ist, drückt sich in Gestalt eben solcher selbstgegebener Gesetze aus. Die Idee der Autonomie artikuliert so die Einsicht, dass man Freiheit (...) und Gesetz nicht durch ihre Entgegensetzung bestimmen kann, sondern durcheinander erläutern muss. Wirkliche Freiheit ist nicht Freiheit von Gesetzen, sondern Freiheit in Gesetzen; verbindliche Normen sind nicht das, was Freiheit äußerlich beschränkt, sondern das, was Freiheit innerlich verwirklicht. Die Idee der Autonomie, die für die moderne praktische Philosophie seit Rousseau und Kant grundlegend ist, zielt so darauf, Freiheit und Verbindlichkeit in einem Zuge zu artikulieren: durch die Form selbstgegebener Gesetze. Mit Beiträgen von Robert Brandom, Judith Butler, Thomas Khurana, Christoph Menke, Terry Pinkard und Sebastian Rödl. (shrink)
Von einem Leben der Freiheit zu sprechen hat eine doppelte Bedeutung. Auf der einen Seite legt diese Wendung nahe, dass schon dem Leben das Merkmal der Freiheit zukommt. Zum anderen deutet der Ausdruck darauf hin, dass die Freiheit ein ihr eigenes Leben besitzen mag. In diesem doppelten Genitiv wird so ein Übergang angedeutet von der Freiheit, die dem Leben als solchem zukommt, zu dem eigenen Leben, das die Freiheit führt. Inwiefern aber ist schon das Leben frei und inwiefern besitzt auch (...) die Freiheit immer noch ein Leben? Warum mag es unserem Verständnis der Freiheit und des Lebens dienen, ihren inneren Zusammenhang zu begreifen? Und in welchem Sinne genau sind Leben und Freiheit aufeinander zu beziehen? -/- Die folgenden Überlegungen werden drei aufeinander bezogene Weisen erläutern, in denen Freiheit und Leben in einem wesentlichen Zusammenhang stehen: (1) Freiheit ist ein Vermögen, das sich nur in lebenden Wesen herausbilden kann. (2) Um die Form der Freiheit zu verstehen, müssen wir die Form des Lebens verstehen. (3) Um die Wirklichkeit der Freiheit zu begreifen, müssen wir verstehen, inwiefern die Freiheit ein Leben eigener Art gewinnt. In diesem Sinne sind wir auf den Lebensbegriff verwiesen, um die Genese, die Form und die Wirklichkeit der Freiheit zu verstehen. Um diese drei Gedanken zu entwickeln, wendet sich dieses Buch zwei Autoren zu, die zwar als Philosophen der Freiheit geläufig sind, wohl aber kaum als »Lebensphilosophen« gelten können: Kant und Hegel. (shrink)
For post-Kantian philosophy, “life” is a transitory concept that relates the realm of nature to the realm of freedom. From this vantage point, the living seems to have the double character of being both already and not yet free: Compared with the external necessity of dead nature, the living already seems to exhibit a basic type of spontaneity and normativity that on the other hand still has to be superseded on the path to the freedom and normativity of spirit. The (...) contributions in the third volume of the series Freedom and Law take their departure from Hegel in order to investigate the extent to which we need figures and concepts of the living to understand the genesis and structure of theoretical and practical self-determination. In these analyses, Hegel’s philosophy reveals itself as a thinking not restricted to a mere opposition between the determinations of life and the freedom of spirit, but rather conceives of a freedom that realizes itself in and through life: a freedom of life. (shrink)
Der Gedanke, der sich in der modernen Idee der Autonomie verdichtet, ist ein doppelter: Die Figur der Autonomie enthält zugleich eine neue Auffassung von Normativität und eine eigene Konzeption von Freiheit. Dem Gedanken der Autonomie zufolge ist ein Gesetz, das wahrhaft normativ ist, eines, als dessen Urheber wir uns selbst betrachten können; und eine Freiheit, die im vollen Sinne wirklich ist, drückt sich in Gestalt eben solcher selbstgegebener Gesetze aus. Die Idee der Autonomie artikuliert so die Einsicht, dass man Freiheit (...) und Gesetz nicht durch ihre Entgegensetzung bestimmen kann, sondern durcheinander erläutern muss. Wirkliche Freiheit ist nicht Freiheit von Gesetzen, sondern Freiheit in Gesetzen; verbindliche Normen sind nicht das, was Freiheit äußerlich beschränkt, sondern das, was Freiheit innerlich verwirklicht. Die Idee der Autonomie, die für die moderne praktische Philosophie seit Rousseau und Kant grundlegend ist, zielt so darauf, Freiheit und Verbindlichkeit in einem Zuge zu artikulieren: durch die Form selbstgegebener Gesetze. -/- Mit Beiträgen von Robert Brandom, Judith Butler, Thomas Khurana, Christoph Menke, Terry Pinkard und Sebastian Rödl. (shrink)
»Latenz« bezeichnet als spezifischer Modus des Verborgenseins und der Wirksamkeit aus dem Verborgenen eine ebenso alte wie virulente Figur. Das Wirken des Begriffs selbst jedoch geschieht bezeichnenderweise oft fast unbemerkt und wie aus dem Verborgenen: Nicht nur sucht man vergebens nach einer umfassenden Theorie der Latenz, auch im Einzelnen sind detaillierte Klärungen zur Struktur oder Verwendungsweise der mit Latenz verbundenen Begrifflichkeit die Ausnahme. »Latenz« taucht vielmehr fast ausschließlich als operativer Begriff auf, der einen Teil seiner spezifischen Wirksamkeit womöglich gerade seinem (...) unthematisierten, ›latenten‹ Charakter verdankt – der Ovid’schen Devise entsprechend, dass die Kunstfertigkeit darin bestehe, die ihr eigene Technik zu verbergen: ars adeo latet arte sua. (shrink)
Der Gedanke, der im Folgenden artikuliert und entfaltet werden soll, besagt, dass Sinn und Gedächtnis in einem internen Zusammenhang stehen. Das heißt näherhin: Sinn ist gedächtnishaft, und Gedächtnis ist nur richtig zu verstehen, wenn es von der zeitlichen Tiefenstruktur des Sinns aus expliziert wird. Die Weise, in der dieser Gedanke ausgeführt und begründet werden soll, ist eine systematische Entwicklung in zwei Zügen: Zum einen gilt es, die basale und implizite Gedächtnishaftigkeit des Sinns zu charakterisieren; zum anderen werden Formen des expliziten (...) Gedächtnisses auf dieser Grundlage neu verstanden und als Reflexionsfiguren der Zeitlichkeit des Sinns ausgewiesen. Die Absicht, die ich dabei verfolge, ist eine doppelte: die irreduzible, in der jüngeren Sprachphilosophie auffällig ignorierte Zeitlichkeit des Sinns ins Licht zu setzen; die Bedeutung und den Wert von Formen des Gedächtnisses zu erschließen, die auch Teilen der jüngeren kulturwissenschaftlichen Diskussion als defizient oder irrelevant erscheinen. (shrink)
It is, by now, a well-established thesis that one major path that runs from Kant, through Fichte and Schelling, up to Hegel is defined by the conception of freedom as autonomy. It is less known and has been less frequently the object of study that from Kant to Hegel a new idea of life takes shape as well. Even less taken into account is the fact that these two paths from Kant to Hegel might be systematically intertwined. If the notion (...) of life in German Idealism is discussed at all, it has been discussed mostly in dealing with the philosophies of nature and biology of Kant and his successors. This framing is, of course, not wrong in itself; yet to my mind we can only fully account for the thought of what is living and the new interest that the idealist philosophies of nature actually deserve if we regard life as a practical notion. For the idealists, life is, as Fichte has it, an “analogue of freedom in nature,” and it describes the one form of object we can encounter in nature that possesses a kind of unity and organization that comes close to the unity and the organization of spirit. In various accounts of German Idealism, life is not only regarded as an analogue of a self-grounded order, but figures furthermore as a precondition of the actuality of freedom: It is in being alive that we might become free. How exactly this is so is of course not only a very complicated issue but also a contested one among Kant and his successors. In order to outline at least two basic approaches to relating ‘life’ and ‘autonomy,’ I would like to present a sketch of a reading of Kant, in whose works the analogy of life and autonomy first manifests itself, and of Hegel, who has to my mind most fully developed the potential of this constellation. (shrink)
In this chapter, I consider the relation of the three major spheres of ethical life that Hegel distinguishes – family, civil society, and the state – and analyse their contribution to the constitution of the "second nature" of objective spirit. Family and civil society are both analyzed by Hegel as ways of taking up and transforming our given nature such that a second ethical nature can be produced. Where the family helps bring forth such a second nature by means of (...) “education” (Erziehung), civil society does so by means of “cultural formation” (Bildung). As I show in sections (I) and (II), these processes are characterised by Hegel as steps of an actualization of freedom insofar they liberate us from our given nature without suppressing it and bring forth a second nature that gives freedom the consistency of living reality. However, while these processes constitute forms of liberation, they are at the same time forms of social subjection, involving discipline and normalization, the subjection to the will of another, and the adaption to the given necessities of the social world. Therefore, the completion of the process of liberation seems to require a third sphere that allows individuals to relate, collectively and politically, to the second nature thus produced. In order for the second nature of spirit to be a self-constitutive actualization of freedom, ethical life thus requires a specific political dimension that I turn to in section (III). While this political process is only possible on the basis of the republican infrastructures of family and civil society, it at the same time calls these infrastructures into question. Although Hegel himself does not develop this dimension properly, his conception of second nature points towards the desideratum of a politics of second nature. I will close the discussion of this political dimension in section (IV) by pointing out the general and diagnostic dimensions that such a politics of second nature can help us elaborate. (shrink)
In diesem Buch verbindet Thomas Khurana eine innovative Neubeschreibung des zentralen Konzepts der Psychoanalyse mit wesentlichen Elementen neuerer Theorien des Sozialen. In drei originellen Studien zu Freud, Lacan und Luhmann wird die These vorgestellt, dass sich der Begriff des Unbewussten nur dann in seiner erschließenden Kraft entfalten kann, wenn das Unbewusste nicht mehr substantialistisch verstanden wird.
Gegen die verbreitete Vorstellung, dass Negativität im Interesse von mehr Selbstverwirklichung, Produktivität und Positivität überwunden oder be-grenzt werden muss, eröffnet dieser Band eine andere Perspektive. Er geht den verschiedenen Formen des Negativen in Kunst, Recht und Politik nach, um zu zeigen, dass es nicht allein eine Negativität gibt, die dem Gelingen im Weg steht oder zu dessen sicher beherrschtem Mittel wird. Die Beiträge des Bandes erweisen Negativität vielmehr als eine Kraft der Befreiung, die ein Gelingen anderer Art ermöglicht.
This paper revisits the concept of autonomy and tries to elucidate the fundamental insight that freedom and law cannot be understood through their opposition, but rather have to be conceived of as conditions of one another. The paper investigates the paradigmatic Kantian formulation of this insight and discusses the diagnosis that the Kantian idea might give rise to a paradox in which autonomy reverts to arbitrariness or heteronomy. The paper argues that the fatal version of the paradox can be defused (...) if we avoid the legalistic model of autonomy and rather turn to the model of participation in a practice. This leads to a dialectical understanding of the idea of autonomy that preserves the insight that freedom and law are mutually conditioning and simultaneously reveals that they remain in irresolvable tension with one another. (shrink)
Wenn nach bleibenden philosophischen Beiträgen von Theodor W. Adorno gefragt wird, so werden meist drei mögliche Kandidaten erwogen: seine Analysen der spätkapitalistischen Kultur und Gesellschaft, seine Ästhetische Theorie und der von ihm entwickelte besondere Typ philosophischer Kritik, der unter dem Titel negative Dialektik bekannt ist. Seltener, wenn überhaupt, wird jemand die Ansicht vertreten, ein bleibender Beitrag Adornos bestehe in einer besonderen Moralphilosophie. Zwar trägt das am weitesten verbreitete Werk Adornos, die Minima Moralia, die Moral bereits im Titel. Jenes Buch aber (...) hebt schon in den ersten Zeilen mit der These an, dass die Lehre vom richtigen Leben heute nicht mehr der eigentliche Bereich der Philosophie sein könne, da das, was der Philosophie einmal »Leben hieß, [...] zur Sphäre des Privaten und dann bloß noch des Konsums geworden« sei. Statt einer Lehre vom guten Leben bleibt für die Philosophie nur eine Reflexion auf seine Beschädigung möglich. Wo immer Adorno sich der Moralphilosophie selbst zuwendet, markiert er in diesem Sinne vor allem ihre Antinomien und Aporien. Die Annahme liegt nahe, dass die Herausstellung solcher Widersprüche nur darauf zielen kann, uns vorzuführen, dass die Moralphilosophie ihren Gegenstand nicht – oder: nicht mehr – zu denken vermag und allenfalls expressive Funktionen hat für eine Gesellschaft, die von Antagonismen durchzogen ist. Eine positive Theorie der Moral scheint in diesem Sinne durch die Form unserer Gesellschaft und die ihr korrespondierenden Formen des Denkens verstellt. Gegen diese durchaus begründete Lesart möchte ich im Folgenden die These vertreten, dass Adornos Beiträge in diesem Feld noch eine weiterreichende Deutung erlauben. Die Aporien der Moralphilosophie verweisen nicht allein auf ihnen unterliegende gesellschaftliche Widersprüche, sondern zugleich auf innere Spannungen, die dem moralischen Handeln wesentlich sind: In der kritischen Reflexion auf die moderne Moralphilosophie und moralisches Handeln in der modernen Gesellschaft gewinnt Adorno eine dialektische Bestimmung dieses Handelns, dergemäß es sich dadurch auszeichnet, dass es Widersprüche des Handelns auf besondere Weise austrägt. Die ›Aporien der Moralphilosophie‹ verweisen für Adorno so auf eine ›Moral der Aporien‹ – sie verweisen auf innere Spannungen, die für das Moralische selbst konstitutiv sind. Moralisches Handeln ist dadurch charakterisiert, dass es die Spannungen von Besonderem und Allgemeinen, Freiheit und Gesetz, Natur und Geist, die menschliches Handeln wesentlich ausmachen, als Spannungen aushält und austrägt. Eine aporetische Moralphilosophie verweist so nicht zwingend auf die schlichte Unmöglichkeit ihres Gegenstands oder ihre eigene Unangemessenheit. Im Herausstellen innerer Widersprüche des Moralischen kann vielmehr im Gegenteil eine Erkenntnis des Moralischen liegen: eine Erkenntnis seiner dialektischen und gespannten Natur. (shrink)
Das Wort "Ereignis" (evenement) figuriert in den Texten Derridas von Husserls Wegin die Geschichte am Leitfaden der Geometrie (Derrida 1987; frz. Orig.: 1962) bis hin zu seinen jüngsten Texten (vgl. z.B. Derrida 2001a) in sehr unterschiedlicher Weise, mal beiläufig, mal mit Gewicht, mal als attackierte, mal als heranzitierte oder auch deutlich in Anspruch genommene Kategorie. Nichts liegt näher als der Versuch, das eigentliche Ereignis-Denken Derridas auf eine bestimmte Gruppe von Texten, eine bestimmte Phase seines Werkes zu beschränken. Schon die Form (...) der besonderen textuellen Konfiguration, die die Signatur Derridas trägt, spricht allerdings gegen ein solches Vorgehen: Es handelt sich um eine Konfiguration von Texten, die durch Insistenz und Rekurrenz gekennzeichnet ist, in diesem Sinne eher eine "durchlaufende" Kette bildet und dabei zugleich durch das laufende auf sich Zurückkommen die früheren Glieder der Kette in ein jeweils neues Licht setzt. Jenseits dieses allgemeinen Arguments spricht gegen eine Beschränkung auf einen vermeintlich homogenen Ausschnitt aus Derridas Werk zudem die spezifische Hypothese, dass die Besonderheit des Ereignisses bei Derrida darin liegt, dass es eine Reihe von Oppositionen auf spezifische Weise durchstreicht, die zum Teil eher zwischen Texten als in einer frontalen Aussage Derridas durchquert werden. Daher nehme ich in diesem Beitrag, in der textuellen Kette Derridas zurück- und vorlaufend, eine Reihe von Bestimmungsmomenten des Ereignisses auf, ohne mich auf eine Phase oder ein vorab begrenztes Feld bezogener Begriffe zu beschränken. (shrink)
The paper argues that Kant’s distinction between pure and empirical apperception cannot be interpreted as distinguishing two self-standing types of self-knowledge. For Kant, empirical and pure apperception need to co-operate to yield substantive self-knowledge. What makes Kant’s account interesting is his acknowledgment that there is a deep tension between the way I become conscious of myself as subject through pure apperception and the way I am given to myself as an object of inner sense. This tension remains problematic in the (...) realm of theoretical cognition but can be put to work and made productive in terms of practical self-knowledge. (shrink)
The paper delineates a modern conception of second nature that takes shape around 1800. Instead of just repeating, once again, the ancient topos that habit is a second nature, this modern conception makes use of a different paradigm for the understanding of cultural self-production, namely the work of art. According to this conception, the development of a second nature is not a question of mere habituation, but rather an essentially creative and expressive process whereby we take up nature and reorganize (...) it in such a way that it points beyond itself and becomes expressive beyond subjective mastery. The formation of culture and the production of a second nature is thus revealed as an aesthetic practice, a complex dialectical exercise, and a social practice of objectification. This conception of second nature which the paper traces back to Kant, Schiller, and Hegel not only allows us to grasp the relationship between spirit and nature more adequately than some of the neo-Aristotelian conceptions that dominate the current philosophical debate. It also opens up an instructive critical perspective on our contemporary aesthetic self-understanding. (shrink)
In this introductory paper, I discuss the second-personal approach to ethics and the theory of recognition as two accounts of the fundamental sociality of the human form of life. The first section delineates the deep affinities between the two approaches. They both put a reciprocal social constellation front and center from which they derive the fundamental norms of moral and social life and a social conception of freedom. The second section discusses three points of contrast between the two approaches: The (...) accounts differ in that the second-personal approach opts for a narrower conception of recognition focusing on mutual moral accountability, whereas recognition theory suggests a broader conception including relations of love, respect, and esteem. Secondly, the accounts differ as to how they conceive of the interrelation of the I-thou and the I-We relationship. Finally, they differ with regard to the way they think of struggles for recognition. Whereas the second-personal approach suggests that we can understand struggles on the basis of a transcendental infrastructure of second-personal address, the theory of recognition considers norms of recognition as themselves constituted by dialectical social struggles. The paper closes with a reflection on the ways in which both approaches can help us understand the social vulnerability of the human form of life. (shrink)
Der Begriff der Lebensform spielt eine ebenso zentrale wie vielgestaltige Rolle in der Philosophie der Gegenwart. Er dient einerseits dazu, auf die menschliche Lebensform als den Grund und Horizont aller Normativität zu verweisen, wie er andererseits dazu verwendet wird, die Vielfalt möglicher besonderer Lebensweisen zu fassen. Bemerkenswerterweise kommen die beiden Extrempunkte des Verwendungsspektrums dabei in einer entscheidenden Hinsicht überein: Lebensformen scheinen sich der Kritik zu entziehen – entweder, weil sie zu fundamental sind, um begründet oder mit Gründen infrage gestellt zu (...) werden; oder aber, weil sie im Bereich individueller oder kollektiver Wahlmöglichkeiten liegen, denen gegenüber die normativen Prinzipien öffentlicher Gerechtigkeit neutral bleiben sollten. In beiden Hinsichten werden Lebensformen in gewisser Hinsicht als normativ unverfügbar gedacht: als unüberschreitbarer und nicht weiter begründbarer Grund unserer normativen Orientierung oder als kontingenter und beliebiger Inhalt normativ gleichermaßen zulässiger Wahl. Rahel Jaeggi verfolgt in "Kritik von Lebensformen" das interessante Vorhaben, den Begriff der Lebensform auf eine solche Weise neu zu bestimmen, dass ihre Kritisierbarkeit einsichtig werden kann. Der Beitrag prüft den für dieses Vorhaben zentralen Gedanken, dass Lebensformen als Problemlösungsinstanzen verstanden werden können. Gegen die pragmatistische Idee, dass die Probleme von Lebensformen auf ihre Lösung, Beseitigung oder Überwindung drängen, schlägt der Beitrag mit Foucault, Luhmann und Deleuze vor, dass Lebensformprobleme vor allem ausgetragen und entfaltet werden wollen. (shrink)
For post-Kantian philosophy, “life” is a transitional concept that relates the realm of nature to the realm of freedom. From this vantage point, what is living seems to have the double char- acter of being both already and not yet free: Compared with the external necessity of dead nature, living beings already seem to exhibit a basic type of spontaneity and normativity that on the other hand still has to be superseded on the path to the freedom and normativity of (...) spirit. The origin of this constellation is to be found in Kant’s discussion of natural purposes in the third Critique; its most articulated shape, however, is developed in Hegel’s conception of life. To introduce the questions that this volume discusses, I will briefly characterize the way in which Kant opens up this conception of the living (I) and outline the way in which Hegel develops this approach (II, III). I will close with a brief outlook on the contributions collected in this volume (IV). (shrink)
Khurana distinguishes different ways in which Derrida’s deconstruction can be understood as an attempt at transforming the transcendental question. Derrida’s essay “Cogito and the History of Madness” might lead us to the assumption that Derrida’s primary interest lies in a move of radicalization: in identifying conditions that are even more fundamental or basic than the conditions of the acts of our theoretical and practical cognition that transcendental philosophy has highlighted. He suggests, however, that instead of a mere radicalization, Derrida’s decisive (...) move in the transformation of the transcendental question resides rather in complicating the way we understand these conditions of possibility: (i) in an attempt to reveal conditions of the possibility of a certain type of act as being simultaneously the conditions of the impossibility of the purity of this act (a project that is sometimes termed “quasi-transcendental”); and (ii) an attempt to complicate the distinction between empirical and transcendental conditions (an investigation that is sometimes called “ultra-transcendental”). (shrink)
Schrift, Akustik, Geld, Raum, Sinn, elektronische Kommunikationsmittel, Zeit, Kunst, Macht. Was kann man an Bestimmtheit von einem Begriff erwarten, der angeblich all dies umgreifen soll - dem Begriff des Mediums in Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme? Die Elemente der Liste scheinen zu verschiedenartig, als dass man sich eine sinnvolle Kategorie vorstellen könnte, die diese Dinge als Exemplare derselben Art vorzustellen in der Lage wäre. Welchen Sinn es machen mag, dass all dies dennoch an unterschiedlichen Stellen in der Theorie Luhmanns als (...) »Medium« unterschieden und bezeichnet wird, kann deutlich werden, wenn man genauer beachtet, welcher Art diese Charakterisierung ist: All diesen Dingen wird nicht einfach das Wesen eines Mediums zugeschrieben. Sie werden vielmehr relativ auf einen bestimmten Kontext und mithilfe einer Unterscheidung von Medium und Form charakterisiert: Sie erweisen sich in Beziehung zu etwas anderem (einer Form) und in einem bestimmten operativen Zusammenhang (relativ auf ein bestimmtes System) als Medium, ohne darum an sich und allein das Wesen eines Mediums zu besitzen. Die Vorzüge einer solchen funktionalen und nicht substanziellen begrifflichen Disposition untersucht der Beitrag. (shrink)
In a broadly Kantian context, it is often assumed that practical self-consciousness and rational self-determination can only be understood in opposition to pleasure and desire. I argue instead that, already for Kant, rational self-determination is itself a determination of our faculty of desire. Drawing on resources from Kant and Hegel, the paper shows that sensible desire can be understood as a self-determination of our vital forces which is connected to a sensible awareness of our practical existence. In order to constitute (...) what Kant calls a higher faculty of desire, we need to develop a practical self-consciousness of this sensible desire. As Hegel develops this idea, such self-consciousness involves grasp of the very form of desire that is occluded in its sensible form, as well as a reflexive redoubling of desire whereby desire becomes its own object. (shrink)
In diesem Essay untersuche ich (I) die irritierende Nähe von Desaster und Versprechen in Agambens Philosophie. Diese irritierende Nähe zeigt sich insbesondere daran, dass Figuren des Schlimmsten - wie etwa das nackte Leben - den erlösenden Figuren - wie etwa die Gestalt der Lebens-Form - strukturell betrachtet zutiefst verwandt sind. In einem zweiten Zug formuliere ich (II) eine Hypothese bezüglich des tieferliegenden Grundes für die betreffende Zweideutigkeit. Dieser erschließt sich, wenn wir beachten, dass der Übergang von der Figur des Desasters (...) zu der des Versprechens der einer ethischen Modifikation, nicht der einer Wahl zwischen gegebenen Alternativen entspricht. In einem dritten Schritt benenne ich schließlich (III) drei Paradigmen, die verdeutlichen, wie die Dialektik von Desaster und Versprechen in Agambens Texten ins Werk gesetzt wird. (shrink)
The way in which a schema represents something is precisely by abstracting from some of its features; in a schema, representation and abstraction are thus not opposed to each other but rather internally related. The first part of this paper investigates this internal relation by delineating Kant’s concept of schema as the term mediating concept and intuition. Due to its pivotal position, however, the schema tends to collapse either into the conceptual or into the intuitive. The second part of the (...) paper turns to Heidegger who tries to overcome this difficulty: he does not conceive the schema as a supplementary representation that connects already determinate concepts and intuitions, but rather locates schematization immanently in the very articulation of concept and intuition themselves. The third part of the paper proposes that the schematicity of our representations can be reflected in three pictorial strategies that are important for contemporary art: reduction, serialization, and reconstruction. These strategies are exemplified in certain images which put us in a position to see through our own representational form, as it were, and observe the procedures of figuration involved in that very form. (shrink)
Dem Namen Girogio Agamben konnte man im letzten Jahr häufig begegnen, obwohl, vielleicht: weil auffälligerweise keines seiner anderswo, wie man allerorts hört, viel diskutierten Bücher im Deutschen erschienen war. Das steigerte die Erwartung und erlaubte die Vermutung, es könne kein Zufall sein, das die politisch brisante Philosophie ihrer Übertragung noch immer harrt. Agamben war - und ist - das Theorieversprechen neuerer politischer Philosophie. Nicht zuletzt auf der Foucault-Konferenz im vergangenen Jahr durfte man seinen Namen immer dann erwähnen, wollte man einen (...) Beleg dafür nennen, dass man an Foucault produktiv anschliessen kann, um die politische Kondition der Gegenwart zu denken. Nun liegt schliesslich doch das Buch vor, dessen Verzögerung im letzten Jahr gleich mehrfach in den Feuilletons moniert wurde – Homo Sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben. Agamben bleibt, so kann man beim Lesen feststellen, Versprechen. (shrink)
Der Beitrag zeichnet die Selbstbeschreibung der Theorie Luhmanns als »Supertheorie« nach und macht an ihr kenntlich, inwiefern die Verwiesenheit der Theorie auf andere Beschreibungen und die Uneinholbarkeit der Theorie für sich selbst unterbelichtet und unzureichend entfaltet bleiben (1). Luhmanns Konzeption wird daher Derridas Quasi-Konzept des »theoretical jetty«, des theoretischen Entwurfs, zur Seite gestellt, das es ermöglicht, den Aporien der Selbstbezüglichkeit der Theorie, den resultierenden Ungreifbarkeiten und der Verwiesenheit auf andere Theorien in anderer Weise Rechnung zu tragen (2). Das erlaubt schließlich (...) Anregungen für eine andersgeartete Theoriekonstruktion: für Möglichkeiten supplementärer statt schlicht totalisierender Theorieverhältnisse, für nicht-thematistische Markierungen der Selbstbezüglichkeit von Theorien und für eine Theoriekonstruktion, die Generalisierung und Respezifikation als Prozeßformen stärker hervorhebt (3). (shrink)
Der Gedanke, der sich in der modernen Idee der Autonomie verdichtet, ist ein doppelter: Die Figur der Autonomie enthält zugleich eine neue Auffassung von Normativität und eine eigene Konzeption von Freiheit. Dem Gedanken der Autonomie zufolge ist ein Gesetz, das wahrhaft normativ ist, eines, als dessen Urheber wir uns selbst betrachten können; und eine Freiheit, die im vollen Sinne wirklich ist, drückt sich in Gestalt eben solcher selbstgegebener Gesetze aus. Die Idee der Autonomie artikuliert so die Einsicht, dass man Freiheit (...) und Gesetz nicht durch ihre Entgegensetzung bestimmen kann, sondern durcheinander erläutern muss. Wirkliche Freiheit ist nicht Freiheit von Gesetzen, sondern Freiheit in Gesetzen; verbindliche Normen sind nicht das, was Freiheit äußerlich beschränkt, sondern das, was Freiheit innerlich verwirklicht. Die Idee der Autonomie, die für die moderne praktische Philosophie seit Rousseau und Kant grundlegend ist, zielt so darauf, Freiheit und Verbindlichkeit in einem Zuge zu artikulieren: durch die Form selbstgegebener Gesetze. Der Beitrag diskutiert den Verdacht, das eben jene Idee der Autonomie von einem Paradox bedroht ist, durch das sich der Zusammenhang von Freiheit und Gesetz wieder auflöst. (shrink)
In this paper, I discuss Karen Ng's reconstruction of Hegel's concept of life. On Ng's account, Hegel's conception of life has a remarkable double role to play: Life is both the proper object of judgment as well as a fundamental characterization of the activity of the judging subject. In a first step, I highlight the insight that Ng's account sheds on the internal connection of life and self-consciousness and the peculiar normativity of life. In a second step, I raise three (...) concerns about Ng's strong focus on the logical notion of life which she characterizes as non-empirical and a priori. I argue that in order to uncover the full significance of the notion of life for Hegel we have to turn to his Philosophy of Nature and Spirit. (shrink)
Im §4 der Einleitung zu den Grundlinien der Philosophie des Rechts charakterisiert Hegel die Seinsweise, in der das »Reich der verwirklichten Freiheit« gegeben ist, als die einer zweiten Natur. Obwohl Hegel die spezifische Formel von der »zweiten Natur« hier nur noch ein weiteres Mal (GPhR § 151,301) direkt wieder aufnimmt, markiert sie eine ebenso grundlegende wie weitreichende Neubestimmung der Wirklichkeit der Freiheit, die in der zeitgenössischen Diskussion von erheblicher Bedeutung ist. Um genauer zu verstehen, welchen Sinn diese Bestimmung der Form (...) der Freiheit hat, ist es hilfreich, eine grundlegende Form zweiter Natur - die Gewohnheit - zu untersuchen, die Hegel in einem Abschnitt zur Anthropologie in der Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften näher charakterisiert. Ich möchte im Folgenden die Form der Gewohnheit näher bestimmen, indem ich sie als einen besonderen Typ von Wiederholung charakterisiere, der sich im Ausgang von den Wiederholungen des Triebs verstehen lässt. Durch diese Bestimmung kann deutlich werden, wie die Gewohnheit dadurch, dass sie eine lebendige Form wiederholt, den Übergang von Natur zu Geist ermöglicht, diesen Übergang jedoch zugleich stets bedroht. Diese doppelte Struktur von Ermöglichung und Gefährdung behält noch für das »Reich der Sittlichkeit« (PhdG, 264) Gültigkeit und qualifiziert die Art und Weise, in der dieses als zweite Natur existiert. Die Form der Praxis lässt sich in diesem Sinne einerseits nur im Ausgang von der Form des Lebens verstehen, hängt aber andererseits zugleich von dem Abstand ab, den die Wiederholungen der Praxis gegenüber denen des Lebens gewinnen. (shrink)
Der Beitrag untersucht (I) einige Merkmale des Gemeinschaftsdenkens bei Cavell, die sich aus seinen sprachphilosophischen Arbeiten begründen, aber bis in seine Überlegungen zum moralischen Perfektionismus hineinreichen. Der zweite Abschnitt (Il) bezieht Cavells Idee der Gemeinschaft auf Formen negativer, entwerkter, undarstellbarer Gemeinschaft im Anschluss an Blanchot. Der dritte Teil des Beitrages schließt (IlI) mit einer kurzen Notiz zum Problem der Zukünftigkeit der Gemeinschaft.
“Life” has become an enigmatic keyword in diverse fields of contemporary philosophy in the past years – from political thought and its reflections on biopolitics to practical philosophy and its recourse to forms of life, to aesthetics and its reflections on the modes of life and liveliness in aesthetic representation. The contributions included in the following special section investigate the peculiar way this keyword functions in a diversity of fields, in order to bring to light the underlying conceptual and structural (...) implications of this term in these different domains. As these contributions show, the use of the marker “life” is more than a fleeting fashion – it articulates a modern predicament with deep historical roots. (shrink)
Der Begriff der ›Welt‹ hat, wenn wir darunter das »Ganze aller Erscheinungen« verstehen, nicht den Status eines Begriffs, dem ein Gegenstand der sinnlichen Anschauung korrespondieren könnte. Er fungiert vielmehr als transzendentale Idee. Eine solche Idee, die Kant in der Kritik der reinen Vernunft als notwendig für die Vereinigung unserer Erfahrung bestimmt, lässt sich »niemals im Bilde ent- werfen« und bleibt »ein Problem ohne alle Auflösung«. Die Antinomien der reinen Vernunft entspringen für Kant gerade daraus, dass man Ideen dieser Art als (...) Begriffe von gegebenen Gegenständen missdeutet. Dass Welt sich gegen eine derartige Vergegenständlichung sperrt, bedeutet jedoch nicht, dass sie überhaupt nicht im Medium der Anschauung zur Darstellung käme. Der Beitrag geht anhand von Kants Kritik der Urteilskraft der Weise nach, wie die Idee der Welt auf Anschauung und Einbildungs- kraft bezogen ist und wie Welt im Medium anschaulicher Darstellung zur Artikulation und Reflexion kommt. (shrink)
The paper investigates philosophical conceptions of the living that were articulated in Kantian and Hegelian philosophy. The paper argues that in Kant and post-Kantian philosophy the conception of the living serves as a hinge or joint in order to mediate between conceptions of the realm of nature and conceptions of the realm of freedom. In opposition to the Cartesian tradition that had tried to grasp living beings in terms of organized machines, Kant characterizes living beings not only as organized, but (...) as self-organizing beings. Living beings thus do not depend on a conception of their whole external to them (a conception present in the mind of a putative creator). They rather determine themselves. If one understands freedom as being under self-given laws as Kant and his successors did, then living beings as self-organizing entities seem structurally akin to the form of autonomy. The paper argues that it is this kinship that explains the interest that Kant and his successors have taken in the subject matter of the living. In conceiving of living entities in terms of self-organizing beings, some elements of nature seem to be graspable in terms of an inner purposiveness that makes intelligible how freedom might be actualized in nature. Although Kant has not fully developed and deployed the analogy of living self-organization and practical self-determination, it had a crucial impact on post-Kantian philosophy. The paper tries to delineate this impact by turning to Hegel who has deepened the analogy without annihilating the difference between living self-organization and practical self-determination. (shrink)
Es ist ein aus der Tradition nur zu vertrauter Gedanke, dass sich Mensch und Tier dadurch unterscheiden, dass Menschen im Unterschied zu Tieren wesentlich selbstbewusste Wesen sind. Wenn wir Hegels Naturphilosophie und seine Philosophie des Geistes betrachten, dann ist offensichtlich, dass auch Hegel ganz explizit von einem solchen Kontrast Gebrauch macht: Obwohl tierisches Leben nach Hegels Charakterisierung bereits durch eine basale Form von Subjektivität und Selbstgefühl gekennzeichnet ist, weist es dennoch nicht jene Form von Selbstbezug auf, die Hegel Selbstbewusstsein nennt (...) und dem geistigen Leben vorbehält. Tiere können so zwar als „selbstisch“ , nicht aber im vollen Sinne als selbstbewusst bestimmt werden: sie erscheinen uns als selbsthaft, sind aber nicht für sich selbst ein Selbst. Was Hegel nun aber gegenüber der Tradition auszeichnet, ist die Art und Weise, in der er das fragliche geistige Selbstbewusstsein zugleich so charakterisiert, dass es wesentlich auf das animalische Leben bezogen bleibt. Um die Art dieses Bezugs etwas weiter zu erhellen, werde ich im Folgenden einen berüchtigten Übergang in Hegels Phänomenologie des Geistes untersuchen, der sich am Anfang des Selbstbewusstseinskapitels befindet. An diesem Übergang zeigt sich, dass sich das Selbstbewusstsein nicht nur wesentlich an einem Bewusstsein des Lebens gewinnt, sondern auch in seiner Verwirklichung auf das Leben verwiesen bleibt. (shrink)
Das Leben tritt in Hegels Phänomenologie des Geistes an einem äußerst bedeutenden „Wendungspunkt“ auf, an dem das Bewusstsein sich als Selbstbewusstsein erfasst und mithin den Begriff des Geistes gewinnt. Das Leben ist die letzte Gegenstandsform, die dem Bewusstsein gegenüberliegt, bevor es sich selbst als seinen Gegenstand erfasst. Durch diese Schwellenposition wird die Figur des Lebendigen zu einem besonderem Reflexionsmedium für die Struktur des Geistigen: Der Geist tritt im Medium des Lebens in Gestalten eines Noch nicht und des Schon da auf, (...) die ihm eine besondere Erkennbarkeit verleihen. Dieser Artikel zielt vor diesem Hintergrund darauf, die strukturelle Homologie (I) ebenso wie die strukturelle Differenz (II) von Leben und Geist herauszuarbeiten. Mein besonderes Interesse gilt dabei der Frage (III), inwiefern der Geist, sofern sein Begriff an genau diesem Wendungspunkte gewonnen wird, etwas Lebendiges bleibt, so sehr er vielleicht auch die Gestalt des Bewusstseinsgegenstandes „Leben“ überschreiten muss. (shrink)
This contribution traces an aesthetic shift in the concept of second nature that occurs around 1800 and raises the question as to what role art might play in a culture that already conceives of itself in generally aesthetic terms. The paper recalls Kant’s rejection of habit as a proper realization of ethical life and shows that in his third critique, Kant proposes a second nature of a different kind. To realize ethical life as a “second nature”, we cannot confine ourselves (...) to mere habituation but require a different type of second nature that is exemplified by the work of art. The paper asks what role art may adopt in an aestheticised culture arising from the success of such an aesthetic understanding in the wake of Kant, from Schiller through to Nietzsche. It argues that art redefines its role by taking not first nature but the second nature of ethical life as its main point of reference. Art thus reconceives itself as a self-reflection of our second nature. The paper discusses three models of such self-reflection: the aesthetic estrangement, the beautiful completion, and the dialectical renegotiation of our second nature. (shrink)
Es ist bekannt, dass Jacques Derrida Hegel als einen der radikalsten Vertreter jener Metaphysik der Präsenz beschrieben hat, die es zu dekonstruieren gilt, und zugleich zugestanden hat, dass Hegel wie kein anderer eben jene Irreduzibilität der Differenz gedacht hat, die Derrida durch die Dekonstruktion der metaphysischen Tradition zur Geltung bringen will. Derridas Verhältnis zu Hegel kann also gar nicht anders als kompliziert sein. Es ist voller innerer Spannungen, die dringend nach näherer Klärung verlangen, die die Literatur zu Derrida bisher aber (...) meist nur punktuell geliefert hat. Auf eine grundlegende und umfassende Klärung zielt nun Johannes-Georg Schüleins Studie zu Metaphysik und ihrer Kritik bei Hegel und Derrida. (shrink)
In einer kurzen Abhandlung über das Gedächtnis, die unter dem Namen De Memoria et Reminiscentia bekannt geworden ist, gibt Aristoteles zwei ebenso knappe wie grundlegende Bestimmungen des Gedächtnisses, deren Zusammenhang und mögliche Tragweite ich in diesem Beitrag freilege. Aristoteles schreibt in der ersten Umgrenzung seines Themas mit Blick auf den Gegenstand des Gedächtnisses: ,,Gedächtnis ist von Vergangenem". (Aristoteles 2004, 449a9 ff.) In der Charakterisierung der Art und Weise, wie im Gedächtnis die Affektion von etwas präsent sein kann, das selbst jedoch (...) abwesend bleibt, verwendet Aristoteles dann die enigmatische Formulierung, dass das Gedächtnisbild in uns „von anderem" sei (Aristoteles 2004, 450b30 f.). Um die Tragweite und den Zusammenhang dieser beiden Wendungen zu ermessen, werde ich sie nicht allein in ihrer Aristotelischen Fassung analysieren oder im Kontext ihrer jüngeren Deutung durch Ricoeur erläutern. Ich will sie vielmehr auf die Gedächtnisreflexionen Derridas beziehen, in denen ein innerer Zusammenhang der Zeitlichkeit des Gedächtnisses und der Erfahrung von Andersheit hervortritt und eine grundlegende ethische Dimension von Gedächtnis aufscheint. Um die „gemeinsame struktu- rale Wurzel" (Derrida 1976a, 201) der Temporalisation und des Verhältnisses zum Anderen nachzuzeichnen und ihre grundlegende Bedeutung für eine Ethik der Alterität zu erläutern, erörtere ich (I.) zunächst, was es heißen mag, dass Gedächtnis von Vergangenem ist und Vergangenes in seinem Vergangensein erschließt. In einem zweiten Zug (II.) beschreibe ich, inwiefern diese Bestimmung wesentlich damit verknüpft ist, dass Gedächtnis „von anderem" ist und eine Möglichkeit der Erfahrung von Andersheit eröffnet. Die systematische Bedeutung, die die Zeitlichkeit des Gedächtnisses vor diesem Hintergrund für eine Ethik der Alterität erhält, erläutere ich schließlich (III.), indem ich die gedächtnishafte Struktur der Verantwortungsrelation analysiere. (shrink)
Derrida zielt mit „Gesetzeskraft“ auf eine Reflexion der komplexen Bedingungsstruktur normativer Praktiken überhaupt, für die rechtliche Praktiken auf besondere Weise erhellend sind. Am Falle des Rechts kann deutlich werden, dass Normativität an ihrem Grund sowie in ihrer Anwendung und Durchsetzung wesentlich auf eine Dimension der Kraft oder Gewalt verwiesen ist. Kraft ohne Gerechtigkeit wäre tyrannisch, aber Gerechtigkeit ohne Kraft bleibt unwirksam. Am Recht zeigt sich so nach Pascal, dass man „Gerechtigkeit und Kraft (Gewalt) zusammenstellen [muß], damit was gerecht und angemessen (...) auch stark und kräftig“ ist. Indem Derrida das gespannte Verhältnis von Gesetz und Kraft genauer entwickelt, legt er eine Auffassung von Normativität frei, die über die dominanten Entgegensetzungen von (1.) Naturrecht und Positivismus, (2.) Gesetz und Willkür, (3.) allgemeiner Norm und besonderem Fall hinausweist. (shrink)
In this contribution, I investigate Hegel’s idea that ethical life is to be understood in terms of a “second nature”. For spirit to actualize itself as second nature does not mean for it to somehow regain the immediacy and simplicity of nature, but to find itself in a nature it has yet to exceed, and to produce a nature of a different sort. While this general characterization pertains to all three spheres of ethical life – the family, civil society, and (...) the state –, it is the “second nature” of civil society which brings out the radically modern character of Hegel’s conception most clearly: it is post-Kantian, not neo-Aristotelian. In order to bring this into view, the first section reconstructs the way in which Kant characterizes cultivation and civilization as the production of a second nature which is necessary to prepare us for, but not yet sufficient for a free and moral appropriation of our natural capacities. In the second section, I delineate how Hegel develops Kant’s conception of culture and civil society further. On Hegel’s account, civil society is not the last stage of our natural development, but a strategic regression of ethical life in its attempt to deepen the appropriation of our nature. Civil society presents itself as a spiritual animal kingdom in which ethical life realizes itself in the state of its own dissolution. In the third and final section, I suggest that to supersede the limitations and to develop the liberating potential of this type of second nature we can’t take recourse to moralization, as Kant had suggested, but are in need of a politics of second nature. (shrink)
This essay offers a perspective on Thomas Demand's works. It argues that in Demand’s pictures, the procedures of figuration themselves acquire a visible figure.
Die praktische Philosophie der Gegenwart hat in vielfacher Weise Gebrauch von dem Gedanken gemacht, dass unsere sittliche Konstitution uns zur „zweiten Natur“ wird. Diesem Gedanken kann eine therapeutische, eine affirmative und eine kritische Wendung gegeben werden: In der therapeutischen Verwendung soll uns die Erinnerung, dass praktische Vernunft uns zur zweiten Natur werden kann, helfen, einen Dualismus von Geist und Natur zu überwinden, ohne uns auf einen reduktiven Naturalismus festzulegen. In der affirmativen Wendung soll der Begriff der zweiten Natur die Exzellenzform (...) praktischen Könnens artikulieren, das gerade darin seine höchste Stufe erreichen soll, das Richtige unmittelbar sehen und tun zu können. In der kritischen Verwendung drückt die Formel schließlich aus, dass eine erworbene sittliche Konstitution, die uns zur bloßen zweiten Natur geworden ist, sich unserer freien Aneignung und Bestimmung entzieht und uns auf eine problematische Weise bestimmt. In all diesen Varianten ist bislang weitgehend unerörtert geblieben, dass die philosophische Tradition nicht nur unsere erworbenen sittlichen Tugenden als „zweite Natur“ bestimmt hat, sondern auch mit Blick auf die schöne Kunst von „zweiter Natur“ spricht. Auch das Kunstwerk ist nach einem neuzeitlichen Topos, den die Ästhetik um 1800 aufgreift und schnell verbindlich gemacht hat, als eine „andere“ oder „zweite“ Natur zu verstehen, die durch den Künstler hervorgebracht wird und von der ersten Natur spezifisch unterschieden ist: Das Kunstwerk ist ein Produkt der Freiheit, das erneut als Natur erscheint (Kant); es gibt der ersten eine „zweite Natur“ zurück, die zugleich „eine gefühlte, eine gedachte, eine menschlich vollendete“ ist (Goethe); und es vollbringt das Kunststück einer „gesetzten Unmittelbarkeit“, einer Setzung von Sein, die an die gesetzte Unmittelbarkeit der Gewohnheit erinnert (Hegel). Wenn man diese Bestimmungen etwas weiter folgt, lässt sich schnell erkennen, dass es sich hier nicht um eine zufällige Homonymie handelt, sondern dass durch die Bestimmung als „zweite Natur“ ein gemeinsamer Problemhorizont angedeutet ist, auf den sich die zweite Natur der Sitte und die andere Natur der Kunst auf unterschiedliche Weise beziehen. In welcher genauen Beziehung stehen aber nun die zweite Natur der Sittlichkeit und die andere Natur der Kunst? Das ist die Frage, der die in diesem Schwerpunkt versammelten Beiträge nachgehen. (shrink)
The paper investigates the Kantian idea that a rational life is a life of “mere form”—a life in which a “mere form” is the force or spring of action. I start by developing Kant’s practical notion of life—the capacity to be the cause of what one represents. In a second step, I investigate the way in which Kant characterizes a rational life—the capacity to act in accordance with the representation of laws and to determine ourselves by the mere form of (...) a practical rule. In the third section, I point to some of the attractions and some of the problems of such an account. I close by considering a Hegelian alternative: the notion that a rational life is not the life of “mere,” but of “absolute form.”. (shrink)
Although colonialism is only a marginal topic in Kant's writings, his remarks on the legitimacy or illegitimacy of colonial practices have naturally attracted much attention. As Kant is a main representative of enlightenment thinking and a herald of emancipatory theory, any putative endorsement or critique of colonialism on his part would seem to have far reaching implications: Kant's stance, whatever it turns out to be, could be understood as representative of the ways in which Western Enlightenment might be complicit with (...) or, on the contrary, offer a resource for overcoming colonial oppression. This volume does not address the broader question of the general relation of enlightenment and colonialism directly but rather turns to the more limited task of getting clear about Kant's actual position regarding colonialism. (shrink)
Habermas’s exchange with Jacques Derrida is situated within the debate about modernity and postmodernity. When he was awarded the Adorno Prize in 1980, Habermas defended the “unfinished project of modernity” in his acceptance speech; the opponents of modernity he identified included — in addition to old conservatives and neoconservatives of the recognizable variety — a group of “Young Conservatives,” among whom he numbered Michel Foucault and Jacques Derrida (“Modernity,” 53). The Philosophical Discourse of Modernity (1985) devotes two chapters to Derrida, (...) in which Habermas details, at greater length, what prompted this judgment. In his estimation, Derrida’s philosophy represents a radicalized critique of reason (Vernunftkritik), which amounts to an inadequate response to the diremptions and dualisms of modernity. This account — as well as the debate in Germany, France, and the United States that followed — was marked by polemical intensity and political vehemence; the effect on institutional and theoretical-political lines of allegiance was far-reaching. There is good reason to doubt whether Habermas portrayed Derrida’s writings accurately and whether he situated them in the appropriate cultural and political contexts. Instead of tracing, point for point, the specific problems within Habermas’s account and the critical responses they elicited, it is more illuminating to remain at a certain remove from the debate. This will allow us to identify the common points of departure that Habermas’s and Derrida’s projects share and to indicate the way in which they challenge each other in systematically fruitful ways. (shrink)
Der Beitrag geht der These Hannah Arendts nach, dass es nur ein einziges wahres Menschenrecht gebe: das Recht auf Rechte. Er zeichnet zunächst (I) Arendts pragmatische und begründungstheoretische Kritik der Menschenrechte nach, um (II) in einem zweiten Schritt zu untersuchen, inwiefern das von Arendt bezeichnete „Recht auf Rechte“ unsere Berechtigung zugleich politisiert und naturalisiert. Der Beitrag schließt (III) mit der doppelten Frage, inwiefern das von Arendt beschriebene Menschenrecht selbst rechtlich institutionalisierbar ist und inwieweit es über die Form subjektiver Rechte hinausweist.
In his rich and complex narrative of the different routes of Anglo-American philosophy in the past decades, Karl Ameriks diagnoses a recent and growing “interest in the metaphysical side of German philosophy.” What is more, he embraces this “metaphysical turn,” arguing that there is “no responsible way” to approach the merits of the classical German tradition without engaging such metaphysical questions. Since both the content of his diagnosis and his plea for a renewed engagement with ‘metaphysics’ depend on his specific (...) use of this term, I will make two comments meant to clarify Ameriks’ understanding of this concept. I will suggest that, if we abide by his specific conception, much of the ‘new desire for metaphysics’ that the editors of this volume see at work in contemporary philosophy will remain unsatisfied. The first indication of this lies in the fact that, (I) it seems far from obvious that ‘metaphysical’ philosophy as Ameriks understands it is actually opposed to a number of self-proclaimed ‘post-metaphysical’ projects in contemporary philosophy. The second, more substantive point I want to highlight (II) is the specifically modest, defensive, and reflexive understanding of metaphysics that underlies Ameriks’ account. (shrink)
»Vom leeren Raum kan es keine Erfahrung, auch keinen Schlus auf das Object derselben geben. [... ] Der Satz [... ]: es giebt leere Räume kan nie ein weder mittelbarer noch unmittelbarer Erfahrungssatz seyn«, so hält Kant im Opus postumum fest, jenem unvollendeten >Werk<, an dem er in den letzten Lebensjahren gearbeitet hatte und das dem »Übergang von den metaphysischen Anfangsgründen der Naturwissenschaft zur Physik« gelten sollte. Für diesen Übergang nun ist es eine der entscheidenden Annahmen, dass es keine Erfahrung (...) vom leeren Raum geben könne - eine bemerkenswerte Behauptung, die sich nicht von selbst versteht, insbesondere, wenn man beachtet, dass Kant dem leeren Raum nicht nur abspricht, unmittelbar wahrnehmbar zu sein, sondern auch bestreitet, dass die Existenz leeren Raumes auf Grund von Erfahrung indirekt erschlossen werden könne. In diesem Aufsatz gehe ich den Gründen für diese Annahme Kants nach, um im Anschluss daran nach anderen Auffassungen räumlicher Erfahrung zu fragen, die den leeren Raum im Gegensatz zu Kant als erfahrbar bestimmen. Die Form der Einheit der Erfahrung erweist sich dabei als entscheidend dafür, ob und in welcher Weise leerer Raum zu einem Gegenstand der Erfahrung werden kann. (shrink)
Wie wird man der, der man ist? Die Frage ist zweideutig. Zum einen scheint sie danach zu fragen, wie man durch all das, was einem geschieht und was man tut, schließlich zu jener bestimmten Person wird, die man zu einem gewissen Zeitpunkt ist. Zugleich zielt die Frage darauf, wie man das einholt, was man »ist«, es nicht nur ist, sondern wirklich wird. Die Frage wirft also einerseits das Problem der Verkettung von Taten, Umständen und Wirkungen auf, die das Produkt einer (...) bestimmten Veränderung hervorbringen, wie andererseits das Problem jener Prozesse der Aneignung und Anerkennung, durch die ein Selbstverhältnis zu dieser Veränderung möglich wird. Die Serie Breaking Bad geht diesem doppelten Prozess auf eine besondere Weise nach, indem sie eine negative Bildungsgeschichte, die Geschichte einer Gegen-Bildung erzählt. Sie zeigt, dass die Devise, zu werden, was man ist, nicht auf Selbstausschöpfung zielt - die Entfaltung und Ausschöpfung der eigenen Potentiale -, sondern vielmehr auf Selbstwerdung: die Verwandlung unseres Seins in Werden und Wissen, Selbstaneignung und Selbstüberschreitung. (shrink)