Abstract
Obwohl jüngere Interpretationen Descartes meist vor dem Vorwurf eines doxastischen Voluntarismus in Schutz nehmen, gibt es im Kontext der cartesischen Urteilstheorie erhebliche Schwierigkeiten mit seinem Begriff der Willensfreiheit. Vor allem zwei Aspekte von Descartes’ Theorie lassen sich auf den ersten Blick nur schwer miteinander vereinbaren: die unbegrenzte Freiheit des Willens auf der einen und die unweigerliche Zustimmung des Willens zu klaren und deutlichen Ideen auf der anderen Seite.Ich schlage zunächst vor, zur Lösung dieser Schwierigkeiten zwei verschiedene Begriffe der Willensfreiheit bei Descartes zu unterscheiden, von denen jeder seinen spezifischen Anwendungsbereich hat: Freiheit als Wahlfreiheit und Freiheit als Spontaneität. In einem zweiten Schritt argumentiere ich, dass sich unter Voraussetzung von Descartes’ Urteilstheorie seine These der unbegrenzten Freiheit des Willens für beide Begriffe von Willensfreiheit verteidigen lässt, ohne dass Descartes deshalb zum doxastischen Voluntaristen würde.