Entzogenes Sein und unbedingte Evidenz in Fichtes Wissenschaftslehre 1804 (2)

Fichte-Studien 20:145-159 (2003)
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Abstract

Von umfassenden philosophischen Konzeptionen der Art, wie Kant und Fichte sie vorgelegt haben, erwarten wir, daß sie auch Auskunft darüber geben, was sinnvollerweise Gegenstand der Erkenntnis sein kann und wo die Grenzen des Wissens liegen. Diese Frage kann sich auf die Zugänglichkeit bestimmter Klassen von Objekten wie abstrakte Gegenstände, Dinge an sich oder Luftgeister mit ätherischen Körpern beziehen. Will man von diesem Ansatzpunkt aus Fichtes nach 1800 entstandene Fassungen der Wissenschaftslehre erschließen, muß man jedoch eine andere Perspektive wählen: In einer Umwendung der Blickrichtung kann auch gefragt werden, ob die Grundlagen des Wissens selbst innerhalb desselben wieder erfaßt oder zumindest post factum rekonstruiert werden können. Fichte nimmt diese Fragestellung, die in unterschiedlichen Varianten bereits im Vorfeld der Berliner Wissenschaftslehre diskutiert worden ist, in der »Darstellung der Wissenschaftslehre« aus den Jahren 1801/02 in seine Konzeption auf und macht sie in der 1804 vorgetragenen Fassung sogar zum Mittelpunkt der Reflexion. Insbesondere dort ist seine Haltung aber nicht so zu verstehen, daß er die These von den entzogenen Vorbedingungen in unserem Wissen aus der Diskussion einfach übernimmt. Eher scheint er die These und den Zusammenhang, in dem sie steht, selbst einer erkenntniskritischen Analyse unterziehen zu wollen, um sich dann von ihnen abzustoßen. Denn Fichte fragt nach dem, was man wissen muß, um wissen zu können, daß man etwas nicht weiß. Und hierbei arbeitet er heraus, daß sich die Annahme von Vorbedingungen, die schlechthin jenseits unserer Wissensvollzüge liegen, nur schwer konsistent artikulieren läßt. Er will einen Zugang zu ihnen aber auch weder allein in das Innere des Gefühls verlegen noch die angenommenen Grundlagen gänzlich in einer Form totalisierter begrifflicher Vermittlung im Sinne Hegels aufgehen lassen. Offensichtlich kann Fichte bei dieser Strategie nur dann erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, eine neuartige Konzeption des Wissens zu erkunden, die die Erkenntnisvorbehalte partiell auch unterlaufen kann und den Sinn des Wissens nicht unter Umgehung seines Einstellungs- und Erfahrungscharakters auf die Seite seines begrifflich vermittelten Gehaltes reduziert. Die Behauptung ist nun, daß Fichtes Ansatz bei der Evidenz in ihrer doppelten Rolle als Vollzugsform und Gegenstand der Wissenschaftslehre diese Funktion übernehmen soll. Die Evidenz hängt durch das Verbum des Einleuchtens mit dem Terminus »Licht« zusammen und führt damit in das Zentrum der Wissenschaftslehre 1804.

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Ulrich Schlösser
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