Abstract
In den letzten Jahren werden in der westlichen Universitätslandschaft und nun auch in Deutschland zunehmend beunruhigte Stimmen laut, welche die Wissenschaftsfreiheit und eine offene Streitkultur bedroht sehen. Dabei steht neben anderen Bedrohungen zunehmend ein Wertkonflikt im Mittelpunkt, in dem Anliegen emanzipativer und partizipativer Gerechtigkeit sowie des Schutzes vulnerabler Gruppen als Anlass für Einschränkungen der freien Rede und der freien wissenschaftlichen Forschung genommen werden. Der Beitrag führt diesen Wertkonflikt einerseits auf die Akademisierung der Emanzipationsbewegungen, andererseits auf eine Wissenschaftskritik, die Wissenschaft als Machtausübung deutet, sowie die schleichende Ausdehnung von Begrifflichkeiten zurück, die Gewalt, Verletzlichkeiten und unzulässige Formen der Machtausübung bezeichnen. Es wird argumentiert, dass das Anliegen eines Schutzes vulnerabler Gruppen zwar legitim ist, das paternalistische Formen der Wissenschaft als Wiedergutmachung jedoch dem Anliegen einer partizipativen Meinungsfreiheit weniger förderlich sind als eine klassische wissenschaftliche Streitkultur.