Abstract
Zunehmend gewinnen Health Apps an Bedeutung für eine präventive und eigenverantwortliche Ausrichtung des Gesundheitssystems. Die meisten dieser digitalen Gesundheitsanwendungen basieren derzeit auf sog. Selftracking-Technologien, mit deren Hilfe physiologische und psychische Daten sensorgestützt aufgezeichnet und diese zumeist um personalisierte Alltagsinformationen ergänzt werden. Die digitalen Entwicklungen dieser Art lösten in den letzten Jahren eine intensive und deutlich polarisierte Debatte über die Chancen und Gefahren von gesundheitlichem Selftracking aus. Ziel dieser Arbeit ist es, nach einem kurzen Überblick über das Feld des medizinischen Selftracking den polarisierten Diskurs zunächst anhand seiner entscheidenden individuellen und gesellschaftlichen Potenziale zu systematisieren und zu prüfen. Es stellt sich heraus, dass Selbstvermessungstechniken keineswegs ein neues Phänomen, sondern vielmehr seit langem fester Bestandteil medizinischen Wirkens in Diagnostik und Therapie sind. Als für die Implementierung von Health Apps in die medizinische Regelversorgung besonders bedeutend wird das Spannungsfeld zwischen individuellem Empowerment und potentiellem Kontrollverlust der Nutzenden herausgestellt. Abschließend werden mögliche Implikationen für die aktuelle Ausgestaltung des neuen Digitale-Versorgung-Gesetzes aufgezeigt und auf einige bestehende „blinde Flecken“ hingewiesen.