Abstract

Zusammenfassung. Die Psychiatrie-Reform in Deutschland manifestiert sich sowohl in der Bewegung der Deinstitutionalisierung als auch in der Änderung der Haltung der psychiatrisch Tätigen, die das Ziel der Anerkennung der eigenen Perspektiven der psychisch Kranken wie auch der Angehörigen psychisch Kranker hat. Bisher letzte Innovation im Bereich der Haltungsänderungen sind der Trialog oder die Trialog-Foren, von denen in wenigen Jahren ca. 120 entstanden sind. Im Trialog-Forum treffen sich psychiatrisch Tätige, psychisch Kranke (=Psychiatrie-Erfahrene) und Angehörige, um ethisch ihre Beziehungen zu reflektieren und dadurch zu moralisch angemessenen und von allen akzeptierten diagnostisch-therapeutischen Handlungsentscheidungen zu finden. In diesem Beitrag wird die Frage gestellt, ob Trialog-Foren Aufgaben der Ethik-Kommissionen wahrnehmen können. Zur Vorbereitung der Antwort wird nachgewiesen, dass die Arbeitsweise des Trialogs ethisch-theoretisch verallgemeinerbar ist, und zwar insbesondere prozeduralistisch nach Habermas' Diskus-Ethik sowie inhaltlich nach der Ethik von Levinas. Daraus ergab sich als Antwort: Wenn auch der Trialog in seiner jetzigen Entwicklungsphase nicht alle Funktionen der Ethik-Kommission ausfüllen kann, gilt umgekehrt, dass die etablierten Ethikkommissionen in der Gesamtmedizin von dieser psychiatrischen Innovation lernen können. Darüber hinaus scheint der Trialog die beziehungsmedizinische Fundierung der Medizin fördern zu können.