Abstract
Anhand autobiographischer Zeugnisse von Überlebenden der Shoah bzw. des Tutsizids in Ruanda skizziert der Artikel die Folgen, die Gewalt und Szenen extremer Demütigung für die Vorbildfunktion von Erwachsenen gegenüber ihren Kindern gehabt haben. Zurückgegriffen wird auf anthropologische Überlegungen Elias Canettis zur Körpersymbolik, die kulturübergreifend von Macht- und Tötungsapparaten benutzt werden. Nachgegangen wird der körperlichen Erniedrigung im Wortsinn – dem „Kleinmachen“ von Vorbildern. Es zeigen sich Parallelen zwischen den Genoziden, etwa der Versuch der Überlebenden, im jeweiligen „Danach“ der Katastrophe zu neuen, sozialen Orientierungsmustern zu finden, um nicht allein das Überleben überleben zu können, sondern auch die Auseinandersetzung mit der „extremen Grundlosigkeit“ auszuhalten, die Völkermorde kennzeichnet. Was mit dem unerklärlichen „Rest“ gemeint ist, der trotz aller Bemühungen um historisches Verstehen nach Genoziden bestehen bleibt, wird als Frage profiliert.