Psyche 78 (6):473-506 (
2024)
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Abstract
»Somatische Narration« bezeichnet eine Arbeitsweise, die Strukturen des Körperselbst, die durch Traumatisierung desorganisiert sind und den Kontakt zum symbolischen Netzwerk verloren haben, ins Zentrum der Aufmerksamkeit des analytischen Paars stellt. Diese nicht-repräsentierten Zustände werden als »verkapselte Körperengramme« aufgefasst. Sie weisen eine leiblich organisierte Abwehrstruktur auf, zu der neben Desorganisation und Versteinerung auch Wahrnehmungsabwehr, d.h. die systematische Abwendung der Aufmerksamkeit vom eigenen Körper, gehört. Die »somatische Narration« kehrt die Wahrnehmungsabwehr um. Zentral hierfür ist eine spezifische therapeutische Haltung: Die sinnliche Präsenz und das leibliche »Containment« werden ins Zentrum der analytischen Haltung gestellt. Vorschnelle Symbolisierungen werden auf Seiten des Analytikers (Deutung) wie des Analysanden als Abwehr der Wahrnehmung des beschädigten Körperselbst und als Widerstand gegen das Durcharbeiten »verkapselter Körperengramme« aufgefasst. Ein klinisches Beispiel erläutert die Arbeitsweise und zeigt die Veränderung der desorganisierten Körperlandschaft im Verlauf einer vierjährigen Analyse.