Husserls Lehre von den sinnlichen und kategorialen Anschauungen: Der sinnliche Überschuss des Sinnbildungsprozesses und seine doxische Erkenntnisform

In Peter Remmers & Christoph Asmuth (eds.), Ästhetisches Wissen: Zwischen Sinnlichkeit Und Begriff. Berlin: De Gruyter. pp. 231-246 (2015)
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Abstract

In den folgenden Überlegungen wird der Frage nachgegangen, welchen Status die Unterscheidung zwischen Sinnlichkeit und Begriff in der Philosophie Husserls hat und inwiefern sie für die Herausarbeitung eines ästhetischen Wissens fruchtbar gemacht werden kann. Husserl formuliert in den Ideen I das „Prinzip aller Prinzipien“ für die Philosophie, „daß jede originär gebende Anschauung eine Rechtsquelle der Erkenntnis sei, daß alles, was sich uns in der ‚Intuition’ originär (sozusagen in seiner leibhaften Wirklichkeit) darbietet, einfach hinzunehmen sei, als was es sich gibt, aber auch nur in den Schranken, in denen es sich da gibt[...].“1 Eine Anschauung ist also die subjektive Erscheinungsweise eines Gegenstandes: Etwas erscheint mir „als“ etwas, d.h. das Selbstsein der Sache ist nicht ein ‚ansich’ Sein, sondern eine „subjektive[], situationsgebundene[] Gegebenheitsweise.“2 Es gibt eine Korrespondenz zwischen der Gegebenheitsweise – dem ‚Wie’ des Erscheinens – und dem Gegenstandsart bzw. dem Gegenstandssinn – dem ‚als Was’ der Gegenstand vermeint ist. Sinnliche und kategoriale Anschauungen konstituieren die Form der Gegenständlichkeit: die sinnliche aus den „Auffassungsstoffen“, die kategoriale aus den „Auffassungsformen“. Sie sind nicht getrennte Bereiche in der husserlschen Phänomenologie, sondern sind durch ein Fundierungsverhältnis3 aufeinander bezogen: Laut den Logischen Untersuchungen ist eine kategoriale Anschauung4 ein durch eine sinnliche Wahrnehmung fundierter intentionaler Akt;in der kategorialen Anschauung erfüllen sich die „kategorial geformten Bedeutungen“.5 Im Unterschied zur sinnlichen Anschauung ist die kategoriale Anschauung durch einen „Überschuss in der Bedeutung“ charakterisiert, denn „nur die in []einem ‚Begriff‘ vereinten Merkmalbedeutungen terminieren in der Wahrnehmung“.6 In seinen späteren Überlegungen erkennt Husserl aber, dass das Kategoriale auf das Nichtkategoriale, auf das Vorprädikative bzw. die passive Synthesis hinweist. Im Folgenden wird daher die These vertreten, dass diese Anerkennung einer passiven, vorkategorialen, ursprünglichen Sinnstiftung und die darauf aufbauende sich stets fortbildende Sinnbildung des identischen Gegenstandes im kontinuierlichen Wahrnehmungsverlauf dem Gegenstand einen sinnlichen Überschuss aufprägt, den die kategoriale Wahrnehmung nicht einzulösen vermag. Diesem Überschuss liegen spezifische Wissensformen zugrunde, die nicht mehr ganz im Sinne Husserl, sondern in Anknüpfung an Platons Politeia als eikasía (Vermutung: den Bildern, eikones, entsprechend) und pístis (Hinnahme, Überzeugung) bestimmt werden können. Im letzten Teil des Vortrages wird schließlich ein auf dem Boden der Lebenswelt aufbauendes Fundierungsverhältnis zwischen ästhetischem und wissenschaftlichem Wissen vorgeschlagen.

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