Abstract
Die christlichen Urzeugnisse des Neuen Testamentes, insbesondere die Evangelien, zeichnen sich aus durch eine dem religiös-kulturellen Mainstream zuwiderlaufende Leibfreundlichkeit. Die Konsolidierung des Christentums in den ersten vier Jahrhunderten bringt den Neuplatonismus mit sich und kombiniert ihn mit den aus der jüdischen Tradition stammenden Heiligkeitsvorstellungen. Damit setzt sich das dualistische Denken mit seiner Trennung von Körper und Seele wieder durch und überschreibt die egalitären Ansätze des frühesten Christentums durch Minderbewertung von Frauen und Körperfeindlichkeit. – Am Beispiel asketischer Praktiken sowohl der frühen Kirche wie des Mittelalters lässt sich die Ambivalenz von Körperfeindlichkeit und Körperkult, bei der einerseits grundlegende körperliche Bedürfnisse wie Essen, Trinken, Schlaf, Sauberkeit, Sexualität extrem unterdrückt werden und andererseits eine obsessive Beschäftigung mit dem Körper zu beobachten ist, gut aufzeigen. Gleichzeitig führt die Entkörperlichung zu einer Verwischung der Geschlechter, die Chancen für Frauen bietet, die sich dieser Entkörperlichungsstrategie zu unterziehen gewillt sind. Das 19. Jahrhundert bringt eine Renaissance und Verstärkung des kultischen Heiligkeitsgedankens, welcher sich mit dem Ideal der Virginität und der Marienverehrung verbindet.