Abstract
Bei geriatrischen, oral ernährten Patienten mit Dysphagie entstehen insbesondere bei der Kostformanpassung ethische Konflikte. Die Abwägung zwischen Aspirationsrisiko und Lebensqualität fällt oft zugunsten der Fürsorge – also einer Risikominimierung – aus, Autonomie und das Nicht-Schadens-Prinzip werden in den Entscheidungen weniger beachtet.Ziel dieser Studie war die Erfassung relevanter Aspekte aus der Patienten- und Angehörigenperspektive bezüglich der Abwägungen zwischen Aspirationsrisiko und Lebensqualität. Zudem wurde die Erprobung des im Rahmen der Studie entwickelten Interviewleitfadens und die Entwicklung von Hypothesen für weiterführende Studien angestrebt. Acht geriatrische Patienten mit leicht- bis schwergradiger Dysphagie und mindestens einer Woche stark adaptierter Kost sowie vier Angehörige wurden in halbstandardisierten, problemzentrierten Interviews befragt. Die Auswertung erfolgte auf Basis der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring. Die problemzentrierten Interviews und der Interviewleitfaden erwiesen sich als geeignetes Instrument, das individuelle Erleben der Situation differenziert zu erfassen. Es konnte ein breit gefächertes Spektrum möglicher Hintergründe zu Risiko-Lebensqualitäts-Gewichtungen und ethischen Konfliktsituationen gefunden werden, die im Rahmen der Kostformadaption eine Rolle spielen. Diese wurden in drei Hauptkategorien zusammengefasst: Aspekte für eine höhere Risikotoleranz, Aspekte für eine niedrigere Risikotoleranz, Aspekte für die Instabilität von Entscheidungen.Die gewonnenen Kategorien geben einen ersten Überblick über die komplexen Einflüsse auf Risiko-Lebensqualitäts-Abwägungen oral ernährter, alter Menschen mit Dysphagie. Die Ergebnisse können ein Ausgangspunkt für weiterführende Studien mit einer größeren Fallzahl bilden und auf dieser Basis zur Entwicklung eines Orientierungsrahmens für Kostformentscheidungen in der geriatrischen Dysphagietherapie beitragen.