Abstract

In der politischen Theorie und der Theorie des Sozialen wird klassischerweise auf den Machtbegriff zurückgegriffen, wenn es darum geht, die Verbindungen und das Dazwischen der Elemente des Sozialen und des Politischenzu denken, deren Konstitution und Individuation, aber auch die Ordnung ihrer Dis‐kurse begrifflich zu erfassen. Gleichwohl ist der Machtbegriff nicht nur ein zentra‐ler Begriff in der empirischen Untersuchung und in der politischen Theorie selbst, er ist auch ein folgenschwerer Begriff sowohl auf der Ebene der Pragmatik einer Theorie als auch auf der Ebene der Theoriebildung. Denn zum einen impliziert die Kon‐zeption von Macht eine Politik qua Begriff: „[H]ow we think of power may serve toreproduce and reinforce power structures and relations, or alternatively it may chal‐lenge and subvert them.“ Zum anderen „ist der Streit um den Machtbegriff auch einStreit um die Form der politischen Theorie oder Philosophie selbst.“ Angesichtsdieser außergewöhnlichen politischen und formalen Relevanz stellt sich die Frage,wie der ‚gegenrevolutionäre‘ Theoretiker Latour, der sich für eine radikal alternativeGrundlegung der Sozialwissenschaften und der Theorie des Sozialen einsetzt, mit dem Machtbegriff umgeht. Wie adressiert Latour den Machtbegriff? In welchen theoretischen Kontexten seines politisch-philosophischen Gesamtprojekts taucht die Thematisierung des Machtbegriffs auf und wie ‚funktioniert‘ der Machtbegriff beiLatour im Gesamtprojekt? Entsagt sich Latour, wie der eingangs zitierte Imperativ nahelegen könnte, tatsächlich des Machtbegriffs? Oder enthält die Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT) in der latourschen Fassung eine eigene Konzeptualisierung von so‐zialer und politischer Macht? ‚Schlägt‘ der Machtbegriff in der latourschen ANT‚zurück‘?