Abstract
Zusammenfassung Der Beitrag widmet sich der Entstehung des Faches Religionsgeschichte in Frankreich. Die Vorgeschichte zu diesem Prozess beginnt mit Benjamin Constants Religionsphilosophie der 1810–1820er Jahre, in der die lokalen und diachronen Veränderungen des allgemein menschlichen religiösen Gefühls als ein Schlüssel zur Religionsgeschichte verstanden wurden. Nach einer langen Pause wird das Thema des religiösen Gefühls in Albert Révilles liberaltheologischem Projekt wieder aktuell. Ausgehend von Schleiermachers Voraussetzungen hoffte Réville dadurch die Apologetik zu modernisieren wie auch den Weg zum theologischen Inklusivismus zu bahnen. Sein Sohn Jean, ebenfalls Theologe, neutestamentlicher Forscher und Sentimentalist, arbeitete mit dem Vater zusammen an der Institutionalisierung des Faches Religionsgeschichte in Frankreich. Albert Réville leitete von 1886 bis zu seinem Tod 1906 die fünfte (religionswissenschaftliche) Sektion der École Pratique des Hautes Études, gleichzeitig war Jean Réville seit 1884 Herausgeber der Fachzeitschrift Revue de l’histoire des religions. Révilles theoretischer Standpunkt wurde von É. Durkheim und seinen Gleichgesinnten H. Hubert und M. Mauss, die die weitere weltanschauliche Säkularisierung förderten, nach 1898 stark kritisiert. Diese Serie von Erwiderungen zeigt die Kluft zwischen der Methodologie der (dem Ursprung nach) evangelischen Religionsgeschichte und der durkheimischen Religionssoziologie.