Abstract
Giorgio Agambens Frage nach dem ethischen und epistemologischen Status des Zeugnisses im Kontext der Shoah, wie er sie in seiner Arbeit Was von Auschwitz bleibt. Das Archiv und der Zeuge aufwirft, konzentriert sich auf die Analyse einer Figur der nationalsozialistischen Vernichtungslager, die Primo Levi ins Spiel gebracht hat, um die Authentizität seines eigenen Zeugnisses als Überlebender in Frage zu stellen: den Muselmann, stummes Opfer auf der untersten Stufe der Lagerhierarchie. Der Artikel unternimmt eine kritische Analyse des Agambenschen Arguments, das Paradox des sprachlosen Zeugnisses, das der Muselmann repräsentiert, sei der unschätzbare Rest, die Lücke, die weder ganz dem Menschlichen noch ganz dem Nicht-Menschlichen zugeschlagen werden kann. Er versucht zu zeigen, dass dieses mit erheblichem rhetorischen Aufwand entwickelte Argument keinen Erkenntnisgewinn im Zusammenhang der Frage nach Authentizität von Zeugnissen erbringt. Ihm gegenüber wäre eine Sichtweise zu favorisieren, die den Plural aller erreichbarer Zeugnisse betont, die die Perspektivität jedes Einzelnen hervorheben kann, ohne seine Einzigartigkeit zu unterschlagen