Abstract
In der Regel werden dezidiert islamisch argumentierende politische Theorien daraufhin befragt, ob sie glaubhaft liberale und demokratische Positionen vertreten oder einem bornierten religiösen Fundamentalismus mit totalitären Ansprüchen das Wort reden. Der Möglichkeit, dass sie parallel zum Kommunitarismus als Versuche gedeutet werden könnten, der Gemeinschaftsidee gegenüber einem überbordenden und die Gesellschaft bedrohenden Liberalismus zu neuer Kraft zu verhelfen, wird dagegen kaum Beachtung geschenkt. In diese Lücke stößt der vorliegende Beitrag. Nach einer Einordnung der Ausgangsfrage wird eine Arbeitsdefinition von Kommunitarismus eingeführt. Auf dieser Grundlage findet eine erste Überprüfung des kommunitarischen Charakters dezidiert islamischer politischer Theorien statt. Es wird gezeigt, dass die Arbeitsdefinition um das besondere Verhältnis des Kommunitarismus zum Liberalismus ergänzt werden muss, wenn islamische politische Theorien überzeugend auf dieser Grundlage diskutiert werden sollen. Am Beispiel Sayyid Djamal ad-Din al-Afghanis wird schließlich gezeigt, dass es theoriegeschichtliche Gründe dafür gibt, dass islamische politische Theorien ein entscheidendes Merkmal des Kommunitarismus vermissen lassen.