Abstract
ZusammenfassungDieser Beitrag ist Teil des Forums COVID-19: Perspektiven in den Geistes- und Sozialwissenschaften. Die Figur des Pestarztes mit der schnabelförmigen Maske ist heute die am häufigsten zitierte Bildmetapher für die Pest. Es verwundert daher nicht, dass die Pestarztmaske in der Sammlung des Deutschen Medizinhistorischen Museums in Ingolstadt zu den am meisten nachgefragten Objekten und Bildmotiven des Hauses gehört. Der Forumsbeitrag spürt der Figur des Pestarztes auf mehreren Ebenen nach: Zunächst wird anhand zeitgenössischer Text- und Bildquellen diskutiert, welche Art von Schutzkleidung zu Seuchenzeiten empfohlen wurde und welche Rolle das schnabelförmige Maskenattribut dabei spielte. Anschließend wird das Ingolstädter Exemplar unter die Lupe genommen, hinsichtlich seines Materials und seiner Machart auf Authentizität und Praktikabilität hin untersucht und mit dem Exemplar des Deutschen Historischen Museums in Berlin verglichen.Das Ergebnis: Die frühesten Belege für die Verwendung dieser speziellen Art von Schutzkleidung stammen aus Italien und Südfrankreich und datieren aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Für Mitteleuropa gibt es keinerlei Nachweise dafür, dass zu Pestzeiten jemals eine solche Schnabelmaske in Gebrauch gewesen wäre. Und die Pestarztmasken in Ingolstadt und Berlin? Bei kritischer Betrachtung finden sich bei beiden Masken Details, die gegen eine Verwendung als Schutzkleidung sprechen. Ob es sich dabei um ältere, historisierende Nachbauten oder bewusste Fälschungen handelt, muss offen bleiben.