Abstract
Der folgende Beitrag diskutiert die Frage, ob und in welchem Sinne von Vollendung des Menschen heute noch die Rede sein könne. Gründe für eine skeptische Zurückhaltung erklären sich aus einem Bild der Moderne, nach dem diese im Abbau antiker Vorstellungen ein nach-metaphysisches Denken auf den Weg bringt. Doch ist die Lage nicht so eindeutig wie in solchen Überzeugungen suggeriert wird. Das zeigt sich vor dem Hintergrund einiger begrifflichen Klärungen (I.) an einschlägigen Motiven der Selbstbeschreibung der Moderne (II.) sowie an der Bedeutung, die das Fragmentarische in ihr hat (III.). An Kants Früh- und Spätwerk zeigt sich, wie präsent Erfüllungsfiguren auch diesseits der kritischen Philosophie bleiben (IV.). Bei Hans Blumenberg findet sich eine phänomenologische und näherhin anthropologische Begründung für deren Beharrungskraft (V.). Die interne Korrelation zwischen Fragmentarität und Vollendung kann theologisch als Resultat eines reflektierten Umgangs mit Enttäuschungen gedeutet werden, die dennoch das Phänomen der Erwartung nicht aus der Welt schaffen. Und das ist auch gut so. Denn die Resistenz des Vollendungsgedankens wirft Licht auf die conditio humana, die sich in Kritik und Endlichkeitsbewusstsein nicht erschöpft, sondern im Verhältnis zum Unbedingten steht (VI.).