Die souveräne Gemeinschaft und ihre Untertanen
Zur ,,volonté générale“ bei Jean-Jacques Rousseau
Abstract
Wegen seiner Theorie des Gesellschaftsvertrags gilt Rousseau als der Begründer der Volkssouveränität. Zweifellos hat er mit seinen Ideen die Französische Revolution und die Entwicklung der Demokratien stark beeinflussen können. Das Volk übernimmt nach ihm die Herrschaft, und zwar auf Grund eines Vertrags (,,contrat“), aus dem, als zentrale Instanz der politischen Gemeinschaft, der Gemeinwille (,,volonté générale“) hervorgeht. Dieser ist der Souverän. Alle Bürger nehmen gleicherweise daran teil. Doch sind sie ihm auch unterworfen, denn er ist der Gesetzgeber, und Freiheit kann der Einzelne nur besitzen, wenn er dem Gesetz gehorcht. Der Einzelne ist somit Herrschender und Untertan zugleich. Erst wenn die Gesellschaft an die Stelle des ursprünglichen Naturzustandes gelangt, wenn also der natürliche Mensch (,,homme naturel“) zum bürgerlichen Menschen (,,homme civil“) wird, kann von Sittlichkeit die Rede sein. Das Zusammenbestehen in einer und derselben Person von Freiheit und Zwang bildet ein Paradox, das zu mancherlei Widersprüchlichkeiten Anlass gibt. Das ist der Grund, weshalb auch heute noch ganz unterschiedliche politische Systeme sich auf Rousseau berufen können. Um dieses Paradox dreht sich seine politische Philosophie, die im Contrat social (1762) ihre volle Entfaltung erreicht. Unser Text ist ein Beitrag zu folgendem Doppeljubiläum: Wir gedenken der Geburt Rousseaus vor 300 Jahren, am 28. Juni 1712, sowie des Contrat social , der also vor 250 Jahren erschienen ist