Abstract
Émile Durkheims Feststellung der neuen Polymorphie der Moral als Herausforderung einer sich ausdifferenzierenden Gesellschaft, die sich stetig ihrer Substanz zu vergewissern versucht, gehört zu den klassischen Krisenbeschreibungen der Soziologie – mit beachtlicher Aktualität. In Bezug auf ebensolche Diagnosen und eine neue Krise der Repräsentation, die Wissenschaft im engeren und Gesellschaft im weiteren Sinne gleichermaßen betrifft, führt dieser einleitende Beitrag an die im Band versammelten Ansätze heran. Hierbei stehen drei Schwerpunkte zentral: Während die moraltheoretischen Ansätze nach der jeweils spezifischen gesellschaftlichen Bedingtheit normativer Leitunterscheidungen fragen und dabei vermehrt das Verhältnis zwischen Wissenschaft und Moral hinterfragen, definieren die empirisch orientierten Aufarbeitungen aktueller gesellschaftlicher Bewegungen Moral als einen möglichen übergeordneten analytischen Fokus. Diese empirische Perspektive ergänzend konkretisieren die feinanalytischen Interpretationen schließlich die Handlungspraxis der kommunikativen Herstellung von Moral und moralischen Kollektiven.