Nanotechnologie und Naturverständnis

In G. Hofmeister, K. Köchy & M. Norwig (eds.), Nanobiotechnologien. Philosophische, anthropologische und ethische Fragen. Alber. pp. 67-83 (2008)
  Copy   BIBTEX

Abstract

Mit diesem Beitrag möchte ich der Frage nachgehen, ob die Gegenstände, Vorhaben oder Konzeptionen der Nanotechnologie geeignet sind, zu einer tiefgreifenden Veränderung bisher vorherrschender Natur-Technik-Verständnisse zu führen. Von besonderem Interesse sind dabei nichtwissenschaftliche Auffassungen, von denen ich exemplarisch die der Lebenswelt vorstellen werde. In ihrer aristotelischen Verfassung folgt sie einer kategorialen Entgegensetzung von Natur und Technik. Natur zeichnet sich demnach durch eine nicht auf Technik reduzierbare Selbstbewegung aus, Technik geht hingegen ganz im menschlichen Handeln auf (Abschnitt 1). Das nanotechnologische Naturverständnis läuft dem lebensweltlichen Verständnis insofern zuwider, als es keine kategoriale Abgrenzung zur Technik kennt. Es lassen sich verschiedene Naturbegriffe der Nanotechnologie unterscheiden, von denen ich zwei Gruppen hervorhebe: die naturalistische und die der Natur-Technik-Differenz (Abschnitt 2). Letztere enthält wiederum zwei Bedeutungen. Zum einen meint Natur das gesetzmäßig Verfaßte. Als solches stellt sie eine unüberschreitbare Voraussetzung und Grenze des nanotechnologisch Machbaren dar. Eine steigende Relevanz der Nanotechnologie (wie der wissenschaftlichen Technik überhaupt) würde dieser Bedeutung zu größerer kultureller Tragweite gegenüber der lebensweltlichen Entgegensetzung verhelfen (Abschnitt 3). Zum anderen bezeichnet Technik in der Nanotechnologie aber, wie auch in der Lebenswelt, das vom Menschen Hergestellte (ohne jedoch von Natur kategorial getrennt zu sein). Wegen dieser Gemeinsamkeit trägt die Nanotechnologie trotz ihrer differenten Naturauffassung zur Stützung des lebensweltlichen Technikverständnisses bei. Sie vermag unter bestimmten Bedingungen mit ihren Methoden den der lebensweltlichen Wahrnehmung nicht zugänglichen künstlichen Ursprung von nanotechnologischen Gegenständen nachzuweisen. Wenn diese Identifikation prinzipiell ausgeschlossen ist, fallen die nanotechnologischen Gegenstände der Natur zu. Ansonsten bilden sie Hybride, in denen Natur und Technik mitunter in nicht mehr auftrennbarer Verschränkung vorliegen. Diese Untrennbarkeit ist nicht spezifisch für die Nanotechnologie und setzt der Identifikation nanotechnologischer Eingriffe keine neue Grenze (Abschnitt 4). Abschließend gehe ich auf den Einfluß der Nanotechnologie auf das lebensweltliche Naturverständnis ein, d. h. auf den erwartbaren Einfluß von nanotechnologischen Produkten und die Bedeutung der Grenzen der nanotechnologischen Unterscheidbarkeit von Natur und Technik in der Lebenswelt (Abschnitt 5).

Links

PhilArchive

External links

  • This entry has no external links. Add one.
Setup an account with your affiliations in order to access resources via your University's proxy server

Through your library

Similar books and articles

„Nanotechnologie“ AlS neue „schlüsseltechnologie“?—Versuch eines historischen und systematischen vergleichs mit anderen technologien.Andreas Woyke - 2007 - Journal for General Philosophy of Science / Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 38 (2):329-345.
Pluralität der Natur.Gregor Schiemann - 1999 - Bremer Philosophica 4.
Natur im Labor: Einleitung.Kristian Köchy & Gregor Schiemann - 2006 - Philosophia Naturalis 43 (1):1-9.

Analytics

Added to PP
2013-10-16

Downloads
44 (#360,874)

6 months
1 (#1,469,946)

Historical graph of downloads
How can I increase my downloads?

Author's Profile

Gregor Schiemann
University of Wuppertal

Citations of this work

No citations found.

Add more citations

References found in this work

No references found.

Add more references