Natur im Labor: Einleitung

Philosophia Naturalis 43 (1):1-9 (2006)
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Abstract

Seit Beginn der frühen Neuzeit ist das naturwissenschaftliche Verfahren maßgeblich durch ein neues Konzept geprägt: das Konzept des experimentellen, gestalterischen Eingriffs in die Natur. Es geht nun nicht mehr darum, eine Geschichte der "freien und ungebundenen Natur" (Bacon) zu erzählen, die in ihrem eigenen Lauf belassen und als vollkommene Bildung betrachtet wird. Es geht vielmehr darum, der "gebundenen und bezwungenen Natur" (Bacon) vermittels der experimentellen Tätigkeit des Menschen die Geheimnisse zu entreißen. Diese technisch-praktische Konzeption grenzt sich explizit von den klassischen kontemplativen Wissenschaftsvorstellungen der Antike ab. Wie es Kant paradigmatisch in Bezug auf Bacon formuliert hat, ist diese "Revolution der Denkart" maßgeblich durch ein gewandeltes Verständnis des Verhältnisses des Menschen zur Natur geprägt. Der Mensch als Experimentator hat für Kant nicht mehr die "Qualität eines Schülers", der sich passiv von der Natur belehren läßt und an ihrem "Leitbande" (Kant) gegängelt wird. Seine neu gewonnene Autorität verleiht ihm vielmehr den Status eines Richters, der nun die Natur nötigen kann, auf gestellte Fragen zu antworten. Die Laborforschung der modernen Naturwissenschaft ist von den Formen der alten Naturwissenschaft so weit entfernt, daß sie den Vorwurf auf sich zog, sie untersuche Artefkakte, aber nicht Natur. Die grundlegenden Theorien über Natur können in der Regel nur unter den künstlichen Bedingungen des Labors aufgestellt werden. Daraus darf aber nicht geschlossen werden, die anhand von Laborphänomenen aufgestellten und getesteten Theorien handelten nicht von der Natur außerhalb der Labore. Aber ihrer exakten und detaillierten Anwendung auf Prozesse außerhalb der Labore stehen eine Fülle von Schwierigkeiten entgegen. Insofern markiert das Labor sehr wohl eine Grenze exakter Naturforschung, die für den Umgang der wissenschaftlich-technischen Zivilisation mit der Natur wichtige Konsequenzen hat.

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Gregor Schiemann
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