‘A New Passage to India?’: Westdeutsche Außenwirtschaftspolitik und Wirtschaftsbeziehungen mit Indien, ca. 1950–72

Berlin/Boston: (2018)
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Abstract

Das Verhältnis von westdeutscher Außenwirtschaftspolitik und Wirtschaftsbeziehungen mit Indien veränderte sich ab den frühen 1950ern auf besondere Weise. Nach einem kräftigen Wirtschaftswachstum sahen deutsche Politiker und Unternehmer den Handel mit Schwellen- und Entwicklungsländern als Unterstützung für einen anhaltenden Wirtschaftsaufschwung. In einer programmatischen Schrift trug Wirtschaftsminister Ludwig Erhard 1953 diesem Gedanken mit Bezug zum währungspolitisch wichtigen Sterling-Raum und Indien als seinem größten Wirtschaftsblock Rechnung. In ordnungspolitischer Tradition sollte der Export deutscher technischer Hilfe und Kapitalgüter die indische Wirtschaftskraft erhöhen und so langfristig einen neuen Markt für deutsche Konsumgüter erschließen. Dieses neue Verständnis von Außenwirtschaftspolitik war gewissermaßen symptomatisch für die Zeit, stand aber auch der späteren Herausbildung einer Entwicklungshilfepolitik nicht entgegen. Auswirkungen dieser Politik fanden sich nicht nur im deutschen Handelsregelwerk für Indien, sondern vor allem in der staatlichen Durchsetzung privatwirtschaftlicher Initiativen in Indien. Hilfeleistungen und Investitionen etablierten die BRD als führende Wirtschaftsnation in Indien. Allerdings war das westdeutsche Ringen um neue Märkte in blockfreien Staaten wie Indien vornehmlich Ausdruck wachsender politischer Konkurrenz mit Ländern des Ostblocks. Für die BRD war Indien aufgrund des Alleinvertretungsanspruchs gegenüber der DDR und aufgrund des Ost-West-Konflikts gegenüber anderen Ostblock-Staaten wichtig. Trotz dieser prägnanten Entwicklung im deutsch-indischen Wirtschaftsaustausch in der Frühzeit des Kalten Krieges gibt es wenige historische Betrachtungen über das Gesamtbild und über einzelne Unternehmensinitiativen. Bisherige Arbeiten behandeln die Entwicklung der bundesdeutschen Südasienpolitik und die von Wirtschaftsinteressen geleiteten Grundlagen westdeutscher Entwicklungshilfe in Indien. Überblicksbetrachtungen thematisieren beide Aspekte selten zusammen. Zudem benennen die genannten Arbeiten bundesdeutsche und privatwirtschaftliche Initiativen, diskutieren dann aber hauptsächlich staatliche Interessen. Für das deutsch-indische Wirtschaftsgeschehen war aber gerade das Verhältnis von Akteuren und Institutionen der deutschen Politik und Wirtschaft relevant. Gab es hier ein Ungleichgewicht der Kräfte oder traten gar Konflikte auf? Für andere Weltregionen streicht die Literatur beispielsweise besondere Fürsprecher innerhalb der deutschen Industrie heraus. Gab es auch einen direkten Fürsprecher für Indien? Obwohl die indische Wirtschaft nach 1947 neuerdings als dynamischer und offener betrachtet wird, gehen lokale und globale Wirtschaftsentwicklungen und der Einfluss ausländischer Politik- und Wirtschaftsinteressen auf die indische Wirtschaftsentwicklung bisher kaum in die Analysen ein. Diese Forschungslücken nimmt der vorliegende Beitrag zum Anlass, die Entwicklung deutsch-indischer Wirtschaftsbeziehungen in der Frühzeit des Kalten Krieges genauer zu untersuchen. Dabei wird insbesondere gefragt, wie sich westdeutsche Wirtschaftsbeziehungen mit Indien zwischen den 1950er und 1970er Jahren unter dem Einfluss außenwirtschaftspolitischer Maßgaben veränderten. Wie einleitend erwähnt, waren diese Wirtschaftsbeziehungen das Resultat einer dynamischen Beziehung von Außenwirtschaftspolitik und Wirtschaftsinteressen während des Ost-West-Konflikts. Da sich politische und wirtschaftliche Umstände auf besondere Weise in der Förderung dieses Wirtschaftsaustausches niederschlugen, fokussiert der Artikel vor allem auf die Verschränkung verschiedener für den Wirtschaftsaustausch wichtiger Themen und Akteure auf der höheren Ebene von Politik und Wirtschaft als auch auf der Mikroebene bestimmter Unternehmensinitiativen. Der Artikel gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil betrachtet den größeren politischen und wirtschaftlichen Rahmen deutsch-indischer Wirtschaftsbeziehungen vor dem Hintergrund neuer lokaler, globaler und transnationaler Verschiebungen. Dabei wird Entwicklungshilfe als Kristallisationspunkt von westdeutscher Außenwirtschaftspolitik und Wirtschaftsbeziehungen mit Indien verstanden. Im zweiten Teil fokussiert der Artikel auf das damals größte westdeutsche Industrieprojekt in Indien – den Aufbau des Hüttenwerks in Rourkela. An diesem Beispiel wird sowohl das steigende deutsche Interesse an Indien als auch die Veränderungen außenwirtschaftspolitischer Leitlinien und wirtschaftlicher Interessen behandelt.

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