Abstract
Obwohl ‚conscientia’ ein zentraler Grundbegriff der cartesischen Metaphysik ist, sagt Descartes nirgends explizit, was er damit meint. Auch aus der Art und Weise, in der er das Wort verwendet, lässt sich dessen Bedeutung nicht vollends erschließen. Insbesondere handelt es sich nicht um einen reflexiven Denkakt (cogitatio), nicht um eine Disposition zum Haben solcher cogitationes und nicht um eine Art Aufmerksamkeit. Um die Bedeutung des Begriffes zu klären, schlage ich vor, auf klassische Texte von Augustinus, Thomas von Aquin und jesuitischen Autoren zurückzugreifen. Es ergibt sich, dass man unter der conscientia traditionell ein Wissen um den moralischen Wert einer Handlung verstand, das der Handelnde mit einem idealen Beobachter (d.i. Gott) teilt. Ich behaupte, dass sich diese Begriffsbestimmung mehr oder weniger analog auf Descartes übertragen lässt. Die cartesische conscientia ist demnach ein Wissen um den spezifischen Wert eines Gedanken, das der Denker mit einem idealen Beobachter teilt.