Abstract
Platon macht die moralischen, rechtlichen und politischen Qualitäten einer Handlung abhängig von den Idee des Guten und Gerechten, die jenseits der Handlungen situiert sind. Für die antike Sophistik entspringen diese Qualitäten dagegen aus den konkreten Handlungen selbst, dann nämlich, wenn eine persuasive Rede die Handlungen situationsabhängig je neu in ein bestimmtes Beziehungsgeflecht einbettet. Diese Konzeption dürfte in der Moralphilosophie bisher zu wenig Beachtung gefunden haben. Wie entgegnet man aber dem platonischen Einwand, ohne die Ideen des Guten und Gerechten gäbe es keinen Maßstab, um zwischen einer persuasiven Rede zu unterscheiden, die eine Handlung zu Recht als gut und gerecht ausweist, und einer, die dies fälschlich tut? Man muß die sophistische Auffassung auf den Redevollzug selbst ausdehnen: Trügerisch ist die persuasive Rede immer dann, wenn ihr Vollzug selbst nicht durch diejenigen Verknüpfungen charakterisiert ist, die jeder Handlung zukommen müssen, sobald diese als gut, gerecht oder politisch angemessen etabliert wird