Abstract
Terminale Sedierung ist unter bestimmten Umständen ethisch rechtfertigbar: Mit dem Wissen um die Begrenztheit des eigenen Lebens ist auch der Sterbeprozess ein bewusst zu gestaltender, dem eigenen Willen unterworfener Bestandteil des Lebens. Das schließt auch die (paradoxe) Möglichkeit ein, bewusst auf das Bewusstsein beim eigenen Sterben zu verzichten. Anhand eigener Studien kann der Autor zeigen, dass sich der Wunsch nach Sterbehilfe bei terminal kranken Menschen als die Folge einer konsequenten Einordnung in das System der Medizin deuten lässt. Infolgedessen begreifen Patienten auch das Sterben als eine Aufgabe des Medizinsystems, so dass sie ärztliche Sterbehilfe als Ausdruck für ein menschenwürdiges Sterben, paradoxerweise sogar als natürlichen Tod auffassen können. In dieser Situation ermöglicht die terminale Sedierung einen Fortschritt: Das Medizinsystem kann der von ihm erwarteten Zuständigkeit für den Prozess des Sterbens nachkommen, ohne direkt und intentional zu töten. Trotzdem bleiben bezüglich der Missbrauchsmöglichkeiten, der Rollenkonfusion der Ärzte und der Grenzen menschlicher Handlungsräume Zweifel. Vor der „Illusion der glatten Lösungen“ (H. Thielicke) wird gewarnt und für den Versuch geworben, das jeweils Beste für die einzelnen Betroffenen zu erreichen