J.G. Fichte, der König der Juden spekulativer Vernunft Überlegungen zum spekulativen Anti-Judaismus

Fichte-Studien 21:131-150 (2003)
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Abstract

Fichtes Verhältnis zum Judentum und seine Rolle als Wegbereiter des Nationalismus in Deutschland sind umstritten. Für diejenigen, die Fichte eine extrem deutsch-nationale Gesinnung unterstellen wollen, gibt es in den Werken des Philosophen, etwa in den Reden an die deutsche Nation, genügend Hinweise; und auch für den ihm unterstellten Anti-Judaismus lässt sich auf manche Stelle in seinen Schriften verweisen. Der brisanteste und immer wieder zitierte Beleg hierzu findet sich in der 1793 anonym erschienenen Schrift Beitrag zur Berichtigung der Urtheile des Publicums über die französische Revolution. Dortheißtesineiner Fußnote: DenJuden»Bürgerrechte zu geben, dazu sehe ich wenigstens kein Mittel, als das, in einer Nacht ihnen allen die Köpfe abzuschneiden, und andere aufzusetzen, in denen auch nicht eine jüdische Idee sey.« Nach der Erfahrung von Auschwitz sind solche oder ähnliche Äußerungen unerträglich und jede Apologetik erscheint hier unangebracht, ja peinlich. In seinem Buch: Fichtes Idee der Nation und das Judentum hat H. J. Becker allerdings darauf aufmerksam gemacht, wie bemerkenswert wenig Kritik diese Äußerung Fichtes zu ihrer Zeit bei den Betroffenen hervorgerufen hat. »Was heute vielfach im Zentrum steht bei der Betrachtung [von] Fichtes Judentumskritik, war in den neunziger Jahren des 18. Jahrhunderts eher ein Phänomen am Rande.« Die Gründe für die verhaltene Kritik sind vielfältig. Zum einen ist es sicherlich der sachliche Kontext, in dem das Zitat steht, der die Zuschreibung einer spezifisch antijüdischen Gesinnung bei Fichte erschwert. Im wesentlichen geht es an dieser Stelle des Beitrags um zwei Überlegungen. Zunächst steht ein rechts- und staatsphilosophischer Gedanke im Vordergrund, der auch für diejenigen einleuchtend erscheinen kann, denen die provokante Formulierung unerträglich ist. Fichtes Argument lautet: Staatliche Autorität und deren Aufrechterhaltung sind begründet im Prinzip der Rechtsstaatlichkeit. Die Idee allgemeiner Rechtsstaatlichkeit schließt Privilegien und Exklusivitätsansprüche nichtstaatlicher Organisationen und gesellschaftlicher Gruppen aus. Als solche »Staaten im Staat« hatte Fichte neben dem Judentum vor allem das Militär, den Adel, die Geistlichkeit, die Zünfte und später auch die studentischen Verbindungen im Auge. Gesellschaftliche Verbände also, die sich, jeder auf seine Weise, dem Geltungsanspruch einer rechtsstaatlichen Verfassung zu entziehen suchte und auf überkommenen Traditionen und Vorrechten bestand.

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