Subjektivität in der philosophischen Armutsforschung
Abstract
Der Status subjektiver Erfahrungen von Betroffenen für eine normative Bewertung von Armut ist unklar. Exemplarisch lassen sich zwei Richtungen unterscheiden: (a) die These, dass arme Menschen keine zuverlässigen Auskunftsgeber über das moralische Gewicht ihrer Lebenssituation sind, also dass deren Einbezug eine normative Bewertung eher erschweren oder gar verfälschen und (b) die These, dass arme Menschen besonders gut über das moralische Gewicht ihrer Lebenssituation Auskunft geben können, ja eine normative Bewertung ohne diese subjektive Perspektive gar nicht adäquat möglich ist. Die erste These (a) kann als Entfremdungsthese bezeichnet werden, die zweite (b) als Partizipationsthese und auch wenn beide zumeist nicht in reiner Form auftreten, so markieren sie doch eine wichtige Differenz in einer normativen Bewertung der Armut ebenso wie in der Armutsforschung im Allgemeinen. In diesem Beitrag wird nun das Verhältnis beider im Rahmen einer spezifischen Konzeption von philosophischer Armutsforschung, die Armut als eine Verletzung von legitimen Gerechtigkeitsansprüchen versteht, herausgearbeitet. Die leitende These ist dabei, dass subjektive Erfahrungen ein notwendiger Bestandteil sowohl des Entdeckungs- als auch des Begründungszusammenhanges einer solchen Kritik der Armut sind, die jedoch durch intersubjektiv ausweisbare Kriterien gestützt werden müssen.