Gerechtigkeit als Stachel des Rechts? - Das Ringen um die Gerechtigkeit im Recht

Jahrbuchs Für Christliche Sozialwissenschaften 62 (2020)
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Abstract

Die anhaltende Popularität von juristisch geprägter Literatur zeigt, dass das Ringen um die Gerechtigkeit im Recht ein brisantes Thema ist, das gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf sich zieht, provoziert und immer wieder neu zum Nachdenken herausfordert. Zeitgenössisch sind es Autor*innen wie Juli Zeh, Bernhard Schlink, Georg Oswald oder Ferdinand von Schirach (sogenannte Dichterjurist*innen 1 ), die die Frage nach Recht und Gerechtigkeit literarisch verbinden und deren Problemkontexte beleuchten. Juli Zeh lässt ihrem Roman Spieltrieb die Erzählerinstanz sprechen: „Das Recht ist kein Kreißsaal für die Gerechtigkeit […]“ (2013, 518). Auch Ferdinand von Schirach bemüht sich herauszustellen, dass für ihn Recht nicht gleich Gerechtigkeit bedeutet. Als Strafverteidiger sagt er über die Justiz: „[W]ir sprechen […] nicht Gerechtigkeit, sondern Recht“ (Heise 2009).3 In seinen Bestsellern (angefangen von z. B. Der Fall Collini über Terror bis zu seinem neusten Stück Gott) provoziert er das Gerechtigkeitsempfinden seiner Leser*innen und lässt sie am Ende gerne selbst das Urteil fällen. In Terror (2016) soll das Publikum als Jury selbst entscheiden, ob der Kampfpilot das entführte Passagierflugzeug, das auf ein voll besetztes Fußballstadion zugesteuert ist, hätte abschießen dürfen. Hier geraten u. a. die Gewissensentscheidung des Piloten und die Rechtsgrundlage in einen Konflikt. Nicht selten macht er den Leser*innen das Recht schwer erträglich, wenn er z. B. wie im Erzählband Schuld (2017) auf brutale Weise beschreibt, wie eine minderjährige Kellnerin auf einem Volksfest von einer Gruppe von Männern vergewaltigt wird, aber aus Beweismangel letztendlich keiner dieser Männer schuldig gesprochen werden kann. In der Literatur werden vielfältige Zugänge zum Verhältnis von Recht und Gerechtigkeit eröffnet – wie kann sich die christliche Sozialethik positionieren?

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