Abstract
Die Abhandlung versucht zu zeigen, daß der platonisch inspirierte Gesetzgeber im Contrat social einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der begrifflich grundlegenden Konzeption des Gemeinwillens liefert. Anders als weithin angenommen wird, beschränkt sich Rousseaus Erörterung des Gemeinwillens nämlich nicht auf jene formalen Aspekte einer Selbstverpflichtung, die ihn als Vorwegnahme der kantischen Autonomiekonzeption erscheinen lassen. Das Problem der faktischen Konstitution des Gemeinwesens, das durch den Gesetzgeber bewältigt werden soll, führt vielmehr auch zu einer Konkretisierung des zuvor etablierten Gemeinwillens. Möglich ist dies, weil der Gemeinwille bereits begrifflich als eine dynamische Entität aufgefaßt werden muß, die in der Bestimmtheit ihres jeweiligen Wollens nur im Ausgang vom Akt des Zusammenschlusses und dessen konkreten Voraussetzungen zu fassen ist. Die politische Philosophie Rousseaus erweist sich damit als wesentlich weniger heterogen als es ihr üblicherweise zugestanden wird