Abstract
Für gewöhnlich wird die orthodoxe Kirche nicht mit der amerikanischen Social Gospel Bewegung in Verbindung gebracht. Im Fall Nicholas Bjerrings, der sowohl der sozialen Frage innerhalb der orthodoxen Kirche als auch des Katholizismus und – vermittelt über den Presbyterianismus – des Protestantismus nachging, findet sich genau diese Verbindung: Bjerring war als einzige Person der amerikanischen Religionsgeschichte des 19. Jahrhunderts dem sozialen Dienst aller drei großen christlichen Konfessionen nachgegangen. Aus Dänemark als Katholik eingewandert, wurde er 1870 russisch-orthodoxer Priester, 1883 presbyterianischer Minister und 1899 wieder römisch-katholischer Laie. Ungeachtet der vielfachen Konversion und der damit verbundenen ekklesiologischen Variationen bewahrte Bjerring eine dogmatische Treue an ein solches Verständnis vom Christentum, das ein Engagement im sozialen Dienst als notwendig geboten erscheinen ließ. Daraus folgte zweierlei: Einmal die letztliche Anerkennung päpstlicher Unfehlbarkeit, die Bjerring 1870 noch abgelehnt hatte, und sodann eine solche Aufassung vom Evangelium als “sozialer” Botschaft, die Bjerring seinen Platz in der Social Gospel Bewegung gab.