Abstract
ZusammenfassungDer Beitrag nimmt eine zentrale ärztliche Tätigkeit im Rahmen des deutschen Sozialversicherungswesens in den Blick: die Begutachtung in Unfallrentenangelegenheiten. Am Beispiel des Kohlenbergbaus in der Zwischenkriegszeit rekonstruiert er, wie zuerst Sozialpolitiker den „Preßluftschaden“ als Berufskrankheit definierten, woraufhin Unfallchirurgen diesem sozialrechtlichen Tatbestand eine ärztliche Praxis abgewinnen mussten. Auf Grundlage medizinischer Fachpublikationen und der Archivalien des höchsten Spruchgremiums im Sozialrecht, des Reichsversicherungsamtes, wird die kontroverse Hervorbringung von neuem Wissen nachgezeichnet. Der Beitrag argumentiert, dass medizinisches Wissen in der Begutachtung weder einfach „angewandt“ noch dass es kompromittiert wurde, wenn sich Ärzte an den Rationalitäten von Verwaltung und Rechtsprechung orientierten. Medizinische Begutachtung sollte stattdessen als eine spezifische Form des ärztlichen Wissens verstanden werden.