Heidegger und Die Geschichte Der Philosophie

The Monist 64 (4):423-433 (1981)
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Abstract

Seit Schleiermacher und Hegel gehört es zur Tradition der deutschen Philosophie, dass die Geschichte der Philosophie ein wesentlicher Aspekt der theoretischen Philosophie selber ist. Insofern ist auch das Thema ‘Heidegger und die Geschichte der Philosophie’ in diesem Zusammenhang zu betrachten, und das heisst: es ist die Frage zu stellen, welche Besonderheiten innerhalb dieser Grundhaltung, die die deutsche Philosophie seit Hegel beherrscht, bei ihm zu bemerken sind. Es ist klar, welcher allgemeine Rahmen für diese Fragestellung gegeben ist; er ist durch das Aufkommen des historischen Bewusstseins geschaffen worden. Darin wirkt sich das Erbe der deutschen Romantik aus, dass nicht nur die historische Forschung im Ganzen, sondern auch die Haltung der theoretischen Philosophie seitdem vom Problem der Geschichte affiziert ist. Vor diesem Zeitalter der Romantik gab es in dem für uns wesentlichen Sinne keine Geschichte der Philosophie. Was existierte, war lediglich eine registrierende Gelehramkeit. Das war mit der berühmten Doxographie, die Aristoteles in fester Lehrabsicht in seine Lehrvorlesungen eingebaut hat, noch anders—bevor dieselbe später zu einem ganzen Zweig gelehrter Arbeit in der antiken Schulwissenschaft wurde. Vollends war das Hegelsche Konzept einer Geschichte der Philosophie selber Philosophie, eine Sondersparte innerhalb der Philosophie der Geschichte, die ihrerseits die Vernunft auch in der Geschichte nachweisen will. Ja, Hegel nannte die Geschichte der Philosophie geradezu das Innerste der Weltgeschichte. Nun hat der konstruktive Anspruch der Hegelschen Geschichte der Philosophie, die Notwendigkeit in der Abfolge der philosophischen Gedankenbildungen zu begreifen und auf diese Weise die Vernunft in der Geschichte des Gedankens nachzuweisen, der Kritik der historischen Schule nicht lange standgehalten. Ein gutes Beispiel dafür ist die Haltung Wilhelm Diltheys, der geradezu als der Denker der historischen Schule gelten darf. Bei aller seiner, namentlich im Alter wachsenden, Offenheit für das Genie Hegels war er doch im Grunde der vorsichtige Schleiermachernachfolger. Teleologie in die Betrachtung der Geschichte des Gedankens einzubringen war nicht sein Fall. Er ordnete sich in die rein historische Betrachtungsweise ein. Die einzig philosophische Betrachtungsweise der Geschichte der Philosophie wurde daher die im Neukantianismus ausgebildete sogenannte Problemgeschichte. Sie war am Anfang dieses Jahrhunderts die herrschende. Wenn man schon nicht eine Notwendigkeit im Fortgang der Systementwürfe des Gedankens anerkennen konnte, suchte man doch eine Art Fortschritt und Fortgang in der Philosophie festzuhalten, indem man die Behandlung der philosophischen Grundprobleme zum philosophischen Massstab erhob. So war etwa das einflussreiche Lehrbuch der Geschichte der Philosophie von Wilhelm Windelband konstruiert, keineswegs ohne eine historische Dimension, aber doch letztenendes auf der Konstanz der Probleme aufgebaut, auf die bei wechselnder geschichtlicher Konstellation wechselnde Antworten erfolgen. Ebenso betrieb der Marburger Neukantianismus die Geschichte der Philosophie als Problemgeschichte.

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