Ein Bild – ohne Betrachter – hielt uns gefangen. Wittgensteins ambivalenter Abschied vom Realismus

In Katharina Neges, Josef Mitterer, Sebastian Kletzl & Christian Kanzian (eds.), Realism - Relativism - Constructivism: Proceedings of the 38th International Wittgenstein Symposium in Kirchberg. Boston: De Gruyter. pp. 167-186 (2017)
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Abstract

Wittgenstein vergleicht seine Arbeitsweise häufig mit der eines Malers, wobei er Denken (und Sprechen) mit dem Zeichnen von Bildern analogisiert. Der Begriff des Bildes ist ein Schlüssel zu seinem Sprachdenken und wird in der Bildtheorie des Tractatus (T) enfaltet. Die Klärung, wie ein Bild (bzw. Satz) Wirklichkeit abzubilden vermag, ist das Paradigma, anhand dessen Wittgenstein die Abbildbarkeit von Wirklichkeit klären möchte. Abbildung im bildlichen bzw. sprachlichen Sinne ist im Tractatus explizit ein Konstruktionsprozess, der Satz ist „Projektionsmethode“. Die Methode sichtbare Dinge in einem Bild so darzustellen, dass sie für einen Betrachter als realistisches, i.e. perspektivisches Abbild erscheinen, wurde im 15. Jh. auf Grundlage geometrischer und optischer Gesetze erfunden (Alberti, Brunelleschi). Albertis Bildtheorie, mit dem Velum als Projektionstechnik, ist analog zur Abbildtheorie im Tractatus. Im Rekurs auf Alberti und anhand einiger Bilder zeigt Hans Rudi Fischer, dass der Tractatus die Konstruktionslogik der Perspektivtheorie nutzt, 2. dass und wie der Tractatus konstruktivistisch zu lesen ist und 3. wie darin W´s Ambivalenzen gegenüber der eigenen, auf Ein-Eindeutigkeit zielenden Logik des Tractatus zum Ausdruck kommen. Wittgensteins Ambivalenz gegenüber der zweiwertigen Logik, die er im Tractatus auf so geniale Weise exponiert hat, bleibt die kreative Quelle seiner konstruktivistisch besser zu verstehenden Spätphilosophie. Aber: die Entscheidung zwischen Realismus und Konstruktivismus ist rational unentscheidbar, sie bleibt ambivalent bis in die letzten Passagen von Über Gewißheit.

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