Für das Wohnen denken: Heidegger, Arendt und die praktische Besinnung
Abstract
Dieser Aufsatz, der sich den Interpretationen u. a. von Robert Bernasconi, Jacques Taminiaux und Franco Volpi anschließt, betrachtet Heideggers „Wiederholung“ der praktischen Philosophie des Aristoteles als eine
Radikalisierung des aristotelischen Begriffs des Handelns (praxis). Die moderne „Not des Wohnens“ erweist sich als ein Ergebnis der Unterordnung der Endlichkeit und Zeitlichkeit des menschlichen Handelns in der
abendländischen philosophischen Tradition unter die metaphysischen und theologischen Ideale, die aus dem anfänglichen Verständnis der Seiendheit als beständiger Anwesenheit (ousia) hervorgehen. Die Grundform dieser Unterordnung ist die aristotelische Auslegung der reinen praxis als eine „übermenschlich“ selbstgenügsame Betrachtung ohne äußere Zwecke. Die Behandlung der praktischen „Besinnung“ (phronesis) in der Nikomachischen
Ethik bietet jedoch eine Einsicht in die endliche und situationsbedingte Verfassung der eigentlich menschlichen Selbstverwirklichung. Die Lektüre der Nikomachischen Ethik in Heideggers Marburger Vorlesung über Platons
Sophistes kann als der Ausgangspunkt für die Geschichte des tätigen Lebens in Hannah Arendts Vita activa angesehen werden. Gleichwohl gliedert Arendt die geschichtliche Entwicklung der praxis ausdrücklicher als Heidegger auf und bedenkt auch, was bei Heidegger weitgehend ungedacht bleibt: den politischen Charakter der ursprünglichen praxis und das apolitische Wesen der Philosophie.