Über Jahrhunderte hatten Ärzte die Aufgabe, Krankheiten zu verhindern und zu behandeln. Nun stehen sie immer häufiger im Dienst der Selbstverwirklichung und Lebensplanung gesunder Menschen, besonders in der Fortpflanzungsmedizin und der ästhetischen Chirurgie. Welche Konsequenzen hat dies für die Zukunft der Medizin? Die Autoren beleuchten diesen Wandel von der krankheitsbekämpfenden zur wunscherfüllenden Medizin unter ärztlichen, rechtlichen und ethischen Aspekten.
Wir möchten der Charter on Medical Professionalism, die wir für vorbildlich halten, eine durchdachte Anreicherung hinzufügen. Wir beginnen mit einer skeptischen Note gegen das verbreitete theoretische Vorurteil, die wichtigsten Probleme im Gesundheitssystem seien Gerechtigkeitsprobleme und diese seien theoretisch gut beherrschbar. Unter Bezug auf Norman Daniels, der John Rawls’ Theorie der politischen Gerechtigkeit auf die Bewertung und Gestaltung von Gesundheitssystemen anwendet, sowie auf die biomedizinische Ethik, die von Beauchamp und Childress vertreten wird, analysieren wir das komplexe Verhältnis zwischen moralischer Integrität von (...) Strukturen und Organisationen einerseits und natürlichen Personen, die in ihnen arbeiten, andererseits. Anschließend interpretieren wir die Charta als eine Spezifizierung der ärztlichen professionsmoralischen Verantwortung auf mehreren Ebenen, die Tugend- und Organisationsethik verklammern. (shrink)
Definition of the problem: Television has developed various forms for the presentation of issues on medical ethics. Our inquiry focuses on the textual, visual and musical elements that are used in two short television features on preimplantation genetic diagnosis. Arguments: We used the method of question-stimulated group discussion to reconstruct how an audience of persons interested in medical ethics perceives which moral problems are presented in the films and how the audience grounds its perceptions on determinate elements of the films. (...) Conclusion: In the enactment of ethical questions in the two selected features there is a salient tendency – pointed out by spontaneous and subjective impressions of the audience – (1) to juxtapose rather than to mediate the presentation of medico-technical progress and the presentation of those who are concerned, (2) to present conflicts in a personally close-up manner that invites identification, (3) to inform about moral problems only by emphasising undesirable consequences. All these observations are connected with specific textual elements, pictures and music and, as a first step of analysis, described with regard to their effect on the viewers. (shrink)
ZusammenfassungDas normative Grundverständnis der kurativen Medizin und ein Trend, sich ihr zu entwinden, wird beschrieben. Durch systematische Betrachtung des Trends wird der Begriff einer „wunscherfüllenden Medizin“ eingeführt und mit der kurativen Medizin kontrastiert. Am Beispiel der Schönheitschirurgie und der Kritik des „Schönheitswahns“ wird deutlich gemacht, dass die Bewertung von Phänomenen wunscherfüllender Medizin in liberalen Gesellschaften sich nur auf schwache normative Ressourcen stützen kann. Nutzen-Risiko-Argumente und Kohärenzargumente, bezogen auf Lebensentwürfe, stellen die vergleichsweise stärksten dar. Wunscherfüllende Medizin erscheint zwiespältig, einerseits erhöht sie (...) die Klientenzentrierung und Responsivität des Medizinsystems, andererseits befördert sie Kommerzialisierungstendenzen. (shrink)
ZusammenfassungWir möchten der Charter on Medical Professionalism, die wir für vorbildlich halten, eine durchdachte Anreicherung hinzufügen. Wir beginnen mit einer skeptischen Note gegen das verbreitete theoretische Vorurteil, die wichtigsten Probleme im Gesundheitssystem seien Gerechtigkeitsprobleme und diese seien theoretisch gut beherrschbar. Unter Bezug auf Norman Daniels, der John Rawls’ Theorie der politischen Gerechtigkeit auf die Bewertung und Gestaltung von Gesundheitssystemen anwendet, sowie auf die biomedizinische Ethik, die von Beauchamp und Childress vertreten wird, analysieren wir das komplexe Verhältnis zwischen moralischer Integrität von (...) Strukturen und Organisationen einerseits und natürlichen Personen, die in ihnen arbeiten, andererseits. Anschließend interpretieren wir die Charta als eine Spezifizierung der ärztlichen professionsmoralischen Verantwortung auf mehreren Ebenen, die Tugend- und Organisationsethik verklammern. (shrink)
We judge actions to be rational if means are adequate to ends. In modern societies, innumerable actions are interconnected into complex systems. Does rationality, then, become a feature of systems? If so, it will not do to view means in the light of ends, Niklas Luhmann maintained. In ‘The Concept of Purpose and Systems Rationality’ (‘Zweckbegriff und Systemrationalität’) (1968), he defined the rationality of systems as their capacity to reduce complexity (“Reduktion von Komplexität”); in his later work, Luhmann elaborated and (...) partly transformed that account. Dorschel and Kettner put his views under scrutiny. (shrink)
Die philosophiegeschichtlichen, sprachphilosophischen, rationalitäts- und wissenschaftstheoretischen Versuche einer Transformation der Philosophie, der Karl-Otto Apels Lebenswerk gilt, bezeichnet Apel deshalb als »Transzendentalpragmatik«, weil sie ihren Einheitssinn in dem Gedanken finden, daß nichts außer der menschlichen Praxis des Argumentierens die kontexttranszendierende Gültigkeit unserer Meinungen über Tatsachen und Normen ermöglicht. Die einzelnen Beiträge beleuchten Konsequenzen und Probleme des transzendentalpragmatischen Programms in einem breiten Spektrum gegenwärtiger philosophischer Diskussionen, das von theoretischen Fragen der Bedeutungstheorie bis zu praktischen Fragen eines modernitätskritischen Dialogs zwischen »Erster« und »Dritter« (...) Welt reicht. (shrink)
Personal und Patienten in Einrichtungen organisierter Krankenbehandlung erfahren und bekunden vielfältige miserable Zustände dieser Organisationen. Einige „Miseren“ lassen sich im Rahmen einer Theorie institutioneller Pathologien als störende Auswirkungen der Aktivitäten und Strukturen von Organisationen des Politiksystems und des Wirtschaftssystems erklären. Deshalb können Klinische Ethik-Komitees solchen Miseren nicht wirksam begegnen oder sie sogar nicht einmal thematisieren. Organisationsethik kann sie thematisieren, aber ihnen nicht wirksam begegnen. Vorgeschlagen wird die Verstärkung von Organisationethik durch eine Theorie institutioneller Pathologie. Institutionspathologisch aufgeklärte, „klinische“ Organisationsethik kann helfen, (...) in Ethiktheorie und Praxis, etwa für Mitglieder von KEKs und Organisationethikberater, die Möglichkeiten der Beobachtung, Bewertung und ggf. Besserung von gestörten Verantwortungsverhältnissen erheblich zu erweitern. (shrink)
I discuss Wolfgang Tress, attempt to apply analytic philosophy to the field of psychiatry and psychological medicine. According to Tress the concept of a person as a rational intentional system is fundamental for psychological medicine and irreducible to concepts of the natural sciences. But the rationality assumptions that are crucial for the concept of a person need much more clarification than Tress provides. Furthermore, Tress, concept of schizophrenia as a disorder of 'semantic coherence of the person, is seriously flawed empirically. (...) Pragmatics rather than semantics should provide the methodological framework for the reconstruction of psychopathological concepts, such as "schizophrenia" and "delusion". (shrink)
ZusammenfassungDas normative Grundverständnis der kurativen Medizin und ein Trend, sich ihr zu entwinden, wird beschrieben. Durch systematische Betrachtung des Trends wird der Begriff einer „wunscherfüllenden Medizin“ eingeführt und mit der kurativen Medizin kontrastiert. Am Beispiel der Schönheitschirurgie und der Kritik des „Schönheitswahns“ wird deutlich gemacht, dass die Bewertung von Phänomenen wunscherfüllender Medizin in liberalen Gesellschaften sich nur auf schwache normative Ressourcen stützen kann. Nutzen-Risiko-Argumente und Kohärenzargumente, bezogen auf Lebensentwürfe, stellen die vergleichsweise stärksten dar. Wunscherfüllende Medizin erscheint zwiespältig, einerseits erhöht sie (...) die Klientenzentrierung und Responsivität des Medizinsystems, andererseits befördert sie Kommerzialisierungstendenzen. (shrink)
ZusammenfassungPersonal und Patienten in Einrichtungen organisierter Krankenbehandlung erfahren und bekunden vielfältige miserable Zustände dieser Organisationen. Einige „Miseren“ lassen sich im Rahmen einer Theorie institutioneller Pathologien als störende Auswirkungen der Aktivitäten und Strukturen von Organisationen des Politiksystems und des Wirtschaftssystems erklären. Deshalb können Klinische Ethik-Komitees solchen Miseren nicht wirksam begegnen oder sie sogar nicht einmal thematisieren. Organisationsethik kann sie thematisieren, aber ihnen nicht wirksam begegnen. Vorgeschlagen wird die Verstärkung von Organisationethik durch eine Theorie institutioneller Pathologie. Institutionspathologisch aufgeklärte, „klinische“ Organisationsethik kann helfen, (...) in Ethiktheorie und Praxis, etwa für Mitglieder von KEKs und Organisationethikberater, die Möglichkeiten der Beobachtung, Bewertung und ggf. Besserung von gestörten Verantwortungsverhältnissen erheblich zu erweitern.Definition of the problem Staff and patients in institutions of organized health care experience and express a variety of adverse conditions of these organizations. Within a theoretical framework of institutional pathology we can explain some of these “miserable conditions” as effects of the activities of organizations belonging to the political system and to the economic system. Clinical ethics committees cannot effectively handle such adversities or even address them properly. Standard organizational ethics can address them but cannot handle them effectively. Arguments I propose to strengthen organizational ethics by a theory of institutional pathology. Basic nosological distinctions such as disease, illness and sickness, whose primary reference is to biological organisms and persons, can be analogically extended to socially constituted entities in terms of functional deficiency, miserable conditions, and need for reform of such entities. A very promising focus for analysis are organizational disorders of responsibility allocation. This group of institutional pathological disorders engenders, amongst other kinds of miserable conditions, specifically morally relevant miserable conditions. Conclusion The institutional pathology paradigm, oriented to concrete institutions and organizations, can help “clinical” organizational ethics to considerably expand, in theoretical ethics as well as in ethically guided practice e.g. for members of CECs and organizational ethics advisors, the capacities for observing, evaluating and, if necessary, amending disturbed relations of responsibility. (shrink)