Die Absicht des vorliegenden Buches ist es, das Geflecht der unterschiedlichen Fragestellungen, die mit dem Stichwort „Fichte und seine Zeit“ verbunden sind, in Betracht zu ziehen und ihre internen Zusammenhänge und ihre Geschlossenheit deutlich zu machen. The intention of this book is to take the network of different issues that are associated with the main theme " Fichte and his time" into consideration and make their internal relationships and their closeness significantly.
Mit dem Untertitel »Streitfragen« bringt dieser Band 44 der Fichte-Studien eine Gruppe von Beiträgen, die das Hauptthema »Fichte und seine Zeit« behandeln und es aus unterschiedlichen Gesichtspunkten entfalten.
Die Betrachtungen, die ich Ihnen im Folgenden vortragen möchte, konzentrieren sich auf den Begriff der Gesellschaft in Fichtes Philosophie und überschneiden sich unvermeidlich mit einer Neubewertung des Begriffs des Politischen, wie er sich bei Fichte abzeichnet. Ausgangspunkt ist die Unterscheidung zwischen Gesellschaft und Staat: eine Unterscheidung, die philosophiegeschichtlich in Hegel ihren wichtigsten Exponenten hat, doch, obgleich nicht immer überlegt und vollständig ausgearbeitet, bereits in die Schriften vieler Autoren als Voraussetzung eingeflossen war. Und darüber hinaus war dies ein Gedanke, der auf (...) einer anderen, wenn man so will, niedrigeren Reflexionsebene in der deutschen Publizistik insbesondere gegen Ende des 18. Jh./anfang des 19. Jh. schon allgemein verbreitet war, das heißt zu einer Zeit, als das Thema der Staatsbildung in den größeren Ländern auf der Tagesordnung stand. Das Thema von einer Neubewertung des Begriffs des Politischen bei Fichte ist vornehmlich aus zwei Gründen von Bedeutung. Einerseits zeigt sich, wenn wir einfach auf das Wort »Politik« achten, daß es bei Fichte nicht oft zu finden ist: es steht in Verbindung mit Eigenschaften wie »Klugheit« oder »Geschicklichkeit« und bezeichnet alles andere als das Ergebnis einer wissenschaftlichen Forschung. Die Politik nimmt daher in Anbetracht der theoretischen Vorannahmen, die Fichtes Philosophie kennzeichnen, und des geringen Gewichts, das er der geschichtlichen Kontingenz bei der Forschung beimißt, nur eine bescheidene Stellung ein. Und in der Tat scheint der Zuständigkeitsbereich der Politik in der Rechtswissenschaft äußerst begrenzt: in ihn fällt nur eine geringe Anzahl von Fragestellungen, deren wichtigste die verschiedenen Regierungsformen betrifft, was jedoch keineswegs ein ausschlaggebendes Problem darstellt, sofern die »Wissenschaft« ihre Prinzipien richtig aufgestellt und in angemessener Weise miteinander verknüpft hat. Allerdings ist zu erwähnen, daß bei genauerer Betrachtung die Zahl der Fragestellungen, deren Lösung Fichte tatsächlich der Politik anvertraut, deutlich größer ist und sich auch auf eine Vielzahl von Bereichen erstreckt - bis hin zur wirtschaftlichen Organisation innerhalb eines Staates, um nur ein Beispiel zu nennen. In jedem Fall aber ist der Bereich der praktischen Politik und nicht der der politischen Theorie betroffen. Betrachtet man das Thema schließlich in Hinblick auf die aktiv an der Politik Beteiligten, stellt man fest, daß ihre Zahl sehr gering ist, da die politischen Rechte, sowohl was das aktive als auch das passive Wahlrecht anbetrifft, nur in begrenztem Maße anerkannt werden. (shrink)
Als Fichte sich mit seiner Appellation an ein »gemischtes« Publikum, an Philosophen aber auch an Nicht-Philosophen wandte, waren für ihn die Zeiten eines scheinbar unheilbaren Konflikts zwischen theoretischem Denken und religiösem Gefühl längst vorüber. Ebenso auch jene Zeiten, in denen Fichte etwas vorschnell seine Zustimmung zu den Dekreten, die über die Religion wachen sollten, zugegeben hatte.