Im Namen homogenisierter Identität widersetzt man sich gegenwärtig jeglichem Versuch, ‚eigene‘ bzw. angeeignete Kultur als in sich heterogen, mit Fremdem transkulturell vermischt zu verstehen. In meinem Beitrag setze ich mich ausgehend von klassischen Beiträgen zur Kulturtheorie mit dieser identitären Versuchung auseinander, um sie vor dem Hintergrund des Befundes verständlich zu machen, dass wir überhaupt nur aus einer unaufhebbaren Welt-Fremdheit heraus Zugang zu kulturellen Lebensformen finden – vorausgesetzt, man nimmt uns auf Dauer in ihnen auf. Dass auf diese Weise jene Fremdheit (...) nicht ‚aufzuheben‘ ist, bedeutet, dass wir niemals eine gewissermaßen ‚restlose’ Enkulturation erfahren, sondern dem Vorkulturellen zutiefst verbunden bleiben. Genau deshalb, so lautet die These, haben wir eine nicht zu tilgende Affinität zu allem Transkulturellen, das man in erster Annährung als dasjenige verstehen kann, was ‚jenseits’ vertrauter Lebensformen liegt und uns zu diesem ‚Jenseits‘ ins Verhältnis setzen kann, weil wir schon in deren ‚Diesseits‘ nie ganz heimisch werden können. Ironischerweise zehrt in dieser Perspektive das Transkulturelle vom Vorkulturellen. Letzteres leugnen die Apologeten des Identitären, indem sie Zerrbilder homogenisierter Zugehörigkeiten feilbieten, die keine innere Unzugehörigkeit, Fremdheit und Distanz mehr zuzulassen scheinen. (shrink)
Die Beiträge dieses Buches unternehmen den Versuch, Praktische Philosophie in Begriffen einer negativistischen Sozialphilosophie zu rekonstruieren, die ein breites Spektrum von Phänomenen negativer Sozialität in ihrem eigenen Recht beschreibt und dabei davon ausgehen muss, dass sich diese Phänomene nicht in einer voll integrierten Gemeinschaft oder Gesellschaft aufheben lassen. Eine solche Sozialphilosophie geht den Gründen für die Irreduziblität des Negativen einerseits auf einer begrifflichen Ebene, andererseits aber auch in konkreten historisch-sozialphilosophischen, lexikalisch angeordneten Analysen nach. Getragen sind die Analysen von der Überzeugung, (...) dass ohne „Reibung“ an diesen Phänomenen auch ein Leben im Zeichen des Guten oder Gerechten jeglichen Halt an einem leibhaftigen In-der-Welt-Sein verlieren muss. Wir sind nicht nur unaufhebbarer Negativität ausgesetzt, sondern müssen auch verstehen, wie das der Fall ist, und welche Spielräume des Verhaltens sich uns darin eröffnen. (shrink)
This paper raises the question whether language and violence are internally connected. It starts from the experience of violence and from its theoretical interpretation as violence in the context of political forms of life which are challenged by complaints about violence. Such forms of life have to confront this issue because they are supposed to be responsive to claims and demands of others who articulate violence as an experience of violation. Whether a kind of responsive ethos may be based on (...) the suspected inner connection between language and violence is being discussed at the end. (shrink)
This paper raises the question whether language and violence are internally connected. It starts from the experience of violence and from its theoretical interpretation as violence in the context of political forms of life which are challenged by complaints about violence. Such forms of life have to confront this issue because they are supposed to be responsive to claims and demands of others who articulate violence as an experience of violation. Whether a kind of responsive ethos may be based on (...) the suspected inner connection between language and violence is being discussed at the end. (shrink)
This essay retraces Paul Ricœur’s references to phenomenological thinking − from his early work on the phenomenology of attention and volition via his methodological considerations of the relation between phenomenology and hermeneutics to his late discussion with Levinas. The paper then focuses onRicœur’s and Levinas’ debate about the limits of the phenomenological notion of the “given” and “givenness” as such with respect to the “phenomenon” ofhuman sensibility vis-a-vis the otherness of the other.
It is common sense today that we need to relieve human living-together from claims that do not permit any compromise. Do such claims when taken as indispensable not really conjure up the worst forms of violence? In face of this danger the consequent renunciation of all allegedly incontestable truths that are taken to function as the foundations of the political is frequently stipulated and it is claimed that there is nothing as dangerous as the claim for some community founding truth. (...) Viewed against this background, this anthology, which includes contributions from social philosophy, sociology, political theory, and religious studies, sets a threefold focus: in a first part, it deals with the phenomenology of unconditional ethical and political claims and their suspected potential of violence; in a second part, it focuses on the possible scope of action vis-a-vis such unconditional claims; in a final part, it concretely fathoms this scope with a view to the critique of religion. (shrink)
English Editorial of the special Issue on Philosophical Theories of War: Contemporary Challenges and Discussions giving an overview of the latest state of the debate.
Sind wir zu natürlicher oder politischer Feindschaft unvermeidlich verurteilt? Der vorliegende Band zeigt, dass Feindschaft immer wieder neu in Prozessen der Verfeindung entsteht, deren fragwürdiger "Sinn" hier zur Diskussion gestellt wird. Zu einer "realistischen", nüchternen Betrachtung dieser Prozesse, gehört es auch, das Verhältnis zwischen Feindschaft und Fremdheit zu befragen, Beispiele der näheren und ferneren Vergangenheit heranzuziehen, das scheinbar natürliche Verhältnis von Feindschaft und Krieg zu hinterfragen, Radikalisierungen der Feindschaft zu untersuchen, Feindschaft in ihrer Funktion als Identitäts- oder Gemeinschaftsbegründung in den (...) Blick zu nehmen, den moralischen Umgang mit Feindschaft zu überprüfen, die Formen und Strukturen der Imagination von Feinden zu interpretieren - und selbstverständlich die klassischen Bestimmungen von Feindschaft in der modernen politischen Philosophie zu reflektieren. Der interdisziplinär angelegte Band verbindet exemplarische mit systematisch ansetzenden Studien, die sich gleichsam als Probebohrungen im Nährboden von Gewalt und Krieg verstehen lassen. Sie versprechen, einem neuen, nicht einfach auf zweifelhafte Anthropologien zurückgreifenden Nachdenken über Feindschaft den Weg zu bahnen. (shrink)
Mit seinem großen Spätwerk "Gedächtnis, Geschichte, Vergessen" hat Paul Ricoeur aufs Neue die Frage aufgeworfen, wie eine zeitgemäße philosophische Theorie der Geschichte heute denkbar wäre. Seiner Überzeugung nach muss eine solche Theorie sowohl den Strukturen gelebter Geschichtlichkeit als auch deren wissenschaftlicher Thematisierung und dem möglichst maßvollen politischen Gebrauch, den man von Geschichte macht, Rechnung tragen. Im Zeichen einer in Stücke gegangenen Geschichte analysiert er, was es heute bedeutet, geschichtlich zu existieren: zwischen eminent gewaltsamer Vergangenheit, die geschichtlich bezeugt wird, und dem (...) menschlichen Wunsch nach versöhnendem Vergessen. Ricoeur hält den Wunsch nach einem moralischen Vergessen für unverzichtbar, das bezeugte Vergangenheit bewahrt und nicht etwa liquidiert. Zugleich verlangt er, diesen Wunsch mit einer dem Anschein nach unversöhnbaren geschichtlichen Wirklichkeit zu konfrontieren. Dieser Band bringt eine Vielzahl aktueller Auseinandersetzungen mit dem von Ricoeur neu begründeten, derzeit avanciertesten Projekt eines philosophischen Geschichtsdenkens, das sich von der Rhetorik des Endes nicht beeindrucken lässt. (shrink)
German Editorial to the Special Issue on Philosophical Theories of War: Contemporary Challenges and Discussions presenting an overview of the latest state of the debate.
Dieser Essay stellt die Idee einer Gastlichkeit menschlicher Subjektivität vor, wie sie Levinas bereits in seinem ersten Hauptwerk, Totalität und Unendlichkeit,entwickelt hat. Er erörtert darüber hinaus die konkreten ethisch-politischen Implikationen dieses Begriffs speziell im Hinblick auf die Gastlichkeit kulturellen Lebens, insofern es Anderen eine »Bleibe« verspricht, die ihrer bedürfen. Kritisch nimmt der Essay zur Frage Stellung, inwiefern die Gastlichkeit einer religiösen Überlieferung als ihr genuines Erbe vorbehalten bleibt.This paper examines the idea of hospitality in Levinas' first major work, Totality and (...) Infinity. It discusses furthermore the concrete ethical and political implications of this notion; especially with respect to the hospitality of cultural forms of life which should promise to shelter others in need of what Levinas calls demeure. Critical considerations are directed against a certain religious »occupation« of the notion of hospitality. (shrink)
Wars and Fatal Illusions of Defeatability as a Threat. Metatheoretical Observations and Desiderata of a Contemporary Philosophy of Martial Violence This essay deals with the question how war threatens us even when peace seems to reign. Refering to Heraklit, Kant, and recent theories of war, the author takes answers to this question into account especially with respect to the problem if it is possible to keep in check illusions which make us believe that one can get rid of enmity by (...) way of 'final solutions'. (shrink)
This introduction to the special issue on Judith N. Shklar starts with a brief outline of her early life, her emigration, and the academic circumstances of and influences on her major works. A second part elucidates how the negativism and skepticism that constitute the central tenets of her political thought can best be described as a “phenomenology of the vulnerability of the Other.” Her empha- sis on active historical remembrance, wariness towards communitarianism, and distrust of overly harmonious models of society (...) puts her in the company of recent theories of political dissensus. A final look at the problems arising from her nega- tivism identifies the weak spots in Shklar’s argument, drawing out the difficulty of institutionalizing such a position and the internal incoherence of a perspective that historically is aimed at the twentieth century and theoretically at the seventeenth. (shrink)
To be born means to be entrusted to others. On this basis, trust is first and foremost a mode of living with others (even anonymous others) which takes definite shape only when it appears to be weakened, doubtful, or even destroyed. In this case, mistrust raises the question how trust can get restored in order to stabilize social and political relations on which the state rests. In historical perspective, however, we are confronted with a radical desillusionment of trust that raises (...) the question how the state can deserve our trust and how we are to avoid that mistrust reigns. The following considerations seek to make junctions plausible between the ontogenetic basis of trust on the one hand and the political precariousness of trust on the other hand. (shrink)